TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Roberto Benigni hat als kleiner Junge »ruH neB« statt »Ben Hur« im Autokino gesehen. So erzählte er es jedenfalls gestenreich auf der »Oscar«-Verleihung für seinen Film »Das Leben ist schön«, erzählte, wie er sich trotz Verbots hinter die halbtransparente Leinwand schlich und die Klassiker der Filmgeschichte spiegelverkehrt sah. Die Autokinos werden leider immer weniger; Freiluftkino-Festivals hingegen haben Zuwachs. Die Faszination, einen Film unter freiem Himmel und an einem besonderen Ort zu sehen, scheint ungebrochen. Es ist die besondere Atmosphäre – hoffentlich – lauer Sommernächte, die das Publikum anzieht. Und der Mond sieht aus, als gehöre er als Requisite zum Film.
Auch in Nordrhein-Westfalen locken zahlreiche Festivals Filmfans an die frische Luft. So das Open-Air-Kino (2. Juli bis 6. August) auf der Essener Zeche Zollverein. In unmittelbarer Nähe zum Werksschwimmbad an der Kokerei werden an sechs Donnerstagen internationale Kinofilme gezeigt, in denen das Element Luft eine besondere Rolle spielt. Los geht es am 2. Juli mit Pixars 3D-Animationsfilm »Oben«; es folgt George Clooney als tragikomischer Personalberater in »Up in the Air« (9. Juli). Die Dokumentation »Deutschland von oben« (16. Juli) zeigt das Wattenmeer, Duisburger Stahlwerke und die Alpen aus faszinierender Vogelperspektive; am 23. Juli fliegt das märchenhafte Kindermädchen »Mary Poppins« durch und über London; eine Woche später (30. Juli) übernimmt Tom Cruise in »Top Gun« den Job – Kampfjet statt Regenschirm. Zum Abschluss gibt es mit »Birdman« und Michael Keaton einen gebrochenen Broadway-Helden, der in die Luft geht. Hundert Sitzplätze stehen vor der 15 Quadratmeter-Leinwand zur Verfügung; wer mag, kann nebenbei im Bassin baden gehen. Der interessanteste Pool des Ruhrgebiets hat in den Sommerferien täglich von 12 bis 20 Uhr geöffnet.
Die Film- und Medienstiftung NRW bringt zum 18. Mal die »FilmSchauPlätze« auf die mobilen Leinwände. Vom 1. Juli bis 10. August laufen 18 Spielfilme an ausgesuchten Orten von Ostwestfalen bis in die Eifel, die zum Thema des Films passen. Zuvor gibt es ein passendes Rahmenprogramm mit Live-Musik und einen Kurzfilm von Nachwuchsregisseuren. Zum Start ist im Stadthafen Recklinghausen Wim Wenders’ »Buena Vista Social Club« zu sehen; einen Tag später (2. Juli) geht es an den Herner Flottmannhallen mit der Boule-Komödie »Eine ganz ruhige Kugel« weiter – die Besucher können den Sport selbst ausprobieren. Am 3. Juli steht die Leinwand vor dem Kulturzentrum August Everding in Bottrop für die Independent-Tragikomödie »Words und Pictures«. In Bielefeld kann man am Historischen Museum im Ravensberger Park die Komödie »300 Worte Deutsch« mit Christoph-Maria Herbst sehen (8. Juli), am SportSchloss in Velen wartet am 10. Juli »Madame Mallory und der Duft von Curry«, während in Heiligenhaus ein Stück Autobahn der A44-Baustelle mit der Komödie »Eyjafjallajöküll – Der unausprechliche Vulkan« (15. Juli) Kino wird. Am Förderturm Königsborn III/IV in Bönen holt man am 22. Juli die großartige Streetart-Doku »Banksy – Exit Through the Gift Shop« hervor. Schlussakt: Datteln, wo die irische Komödie »Die letzte Versuchung – Lügen bis der Arzt kommt« ziemlich Spaß machen kann.
Die Düsseldorfer Filmkunstkinos laden bis zum 4. September in den Biergarten »Vier Linden«. Im Park beginnt bei Einbruch der Dunkelheit gegen 21:30 Uhr das Filmprogramm, zu dem man die Picknick-Verpflegung selbst mitbringen darf. Ein paar Nummern größer ist das »Commerz Real Cinema« an der Düsseldorfer Rheinterrasse – vor schöner Kulisse gibt es vom 16. Juli bis 16. August auf der größten hydraulischen Leinwand der Welt die entsprechenden Blockbuster. Auf dem Essener Kennedyplatz macht der Streamingdienst Amazon Prime mit einem kleinen Open-Air Eigenwerbung für sein Angebot und zeigt vom 1. bis 5. Juli Filme wie »Die Tribute von Panem – Catching Fire« wie auch Folgen seiner aktuellen Serien »Bosch«, »Mozart in the Jungle« und »Transparent« als Appetithäppchen.
Im Biergarten des Cinenova, Köln-Ehrenfeld, hat man vom 1. Juli bis 29. August die Wahl bei größtenteils europäischen Produktionen abseits vom Mainstream. Das Angebot reicht von »Wiplash«, »Amy«, »Die Gärtnerin von Versailles«, »Mad Max«, »Birdman«, »Verstehen Sie die Béliers?« bis »Gone Girl«.
Auf der Seebühne im Dortmunder Westfalenpark collagiert das »PSD Bank Kino« vom 4. Juli bis 2. August eine Mischung aus Blockbustern und echten Klassikern – »Breakfast at Tiffany’s«, »Bang Boom Bang«, »Avengers 2«, die Helge Schneider-Doku »Mülheim Texas«, »Cinema Paradiso« oder »Interstellar«. In Bochum verteilt das »endstation.kino« des Bahnhofs Langendreer sein kleines, feines Film-Open-Air auf drei Orte. Vom 11. Juli bis 29. August sind der eigene Hinterhof, das Kunstmuseum und der Platz des BV Langendreer 07 der Kinosaal für »Birdman«, »Bonny & Clyde«, »Ghostbusters« im Original mit Untertiteln. Außerdem stehen an einem Abend Kurzfilme des »blicke.filmfestival« auf dem Programm. Ebenfalls in Bochum, im Innenhof der örtlichen Brauerei, steigt vom 16. Juli bis 23. August die »Fiege-Kino-Lounge« mit einer Kombination aus Blockbustern und lokalen Klassikern – »Fast and Furios 7« trifft auf »Bang Boom Bang«.
Das traditionsreiche Wuppertaler »talflimmern« offeriert wiederum einen Mix aus Arthouse und Mainstream – bis zum 15. August in der Alten Feuerwache lodern Filme wie »Als wir träumten«, »Taxi Teheran«, »Inherent Vice« oder »A most violent Year«.
Etwas Besonderes ist das mobile Filmfestival »Feuer und Stahl – Kino und Kunst auf dem Kohlekahn«. Das Saarländische Filmbüro schickt das Schiff »Maria Helena« los, um die Großregion Saarland, Lothringen, Rheinland-Pfalz mit dem Ruhrgebiet zu verbinden und entlang der historischen Kohlerouten der gemeinsamen Montan-Vergangenheit nachzuspüren. Im Bauch des Schiffs oder in dessen direkter Nähe werden neben Lesungen, Konzerten, Performances auch avancierte Filme geboten. Vom 3. bis 14. Juli legt die »Maria Helena« in NRW an; in Köln, Düsseldorf, Oberhausen, Recklinghausen und Dortmund. Mit dabei: die sehenswerte Dortmunder Phoenix-See-Doku »Göttliche Lage«, »Die Fotografen Bernd und Hilla Becher« von Marianne Kapfer oder auch Adolf Winkelmanns »Jede Menge Kohle«.
Der Filmsommer kann kommen! Und das Beste ist – in den meisten Fällen hat man freien Eintritt.