// Die zwei Ausstellungen, die zwei Ruhrgebiets-Museen derzeit zu Daniele Buetti ermöglichen, ist überfällig. Obgleich der Künstler seit 2004 als Professor an der Kunstakademie Münster tätig ist, waren in Nordrhein-Westfalen bislang nur einzelne Werke von ihm zu sehen. Dafür ist dies nun seine umfangreichste Schau überhaupt in Deutschland, sofern man beide Stationen – in der Kunsthalle Recklinghausen, im Kunstmuseum Mülheim – als zusammengehörig versteht.
Daniele Buetti wurde 1957 in Fribourg geboren. In der Schweiz trat er zunächst mit Aktionen auf, in denen er eine von ihm entwickelte Designform wie ein Logo vorführte: in immer neuen Abwandlungen provozierend oder diskret, als Modemarke oder verschwörerisches Insiderzeichen. Wie wirken Logos in die Öffentlichkeit hinein, wie beeinflussen sie unser Verhalten, und welche Taktiken des Zeitgeistes kommen hier zum Einsatz? Derartige Fragen beschäftigen Buetti auch in den nachfolgenden Werkgruppen mit (abwaschbaren) Tattoos, mit Fotos von Models oder von Körperausschnitten, in deren Rückseiten Markennamen so gestanzt sind, als hätte der Eingriff unter der Haut stattgefunden. Der menschliche Körper wird zum Werbeträger und das Label signalisiert die »Stammeszugehörigkeit«. Buetti führt dies auf Leuchtkästen mit Kritzeleien fort, die sich über die Darstellungen von Models legen, so dass die Körper-Ikonen schön und entstellt zugleich sind.
Die Grenzen zwischen Werbung, Alltagskultur und Kunst sind fließend; Buetti zielt auf die Mechanismen unterschwelliger Beeinflussung in unserer Gesellschaft. Und er schlägt dabei in den letzten Jahren den entgegengesetzten Weg ein, die Verfremdung: Etwa indem eine riesige Nase durch die Decke gebrochen ist und aus ihr eine schleimige Masse tropft (Marseille 2004). Oder indem in einem leeren Gebäude die Wände mit dunkler Farbe und Torf getränkt sind, wobei das Fließende als Hereinbrechen einer übersinnlichen Bedrohung empfunden wird (Zürich 2003).
Mit den Polen von Anziehung und Abstoßung hat Buetti nun auch bei der Doppelausstellung im Ruhrgebiet gearbeitet. In Mülheim steht an der einen, violett gestrichenen Stirnwand in geschwungenen Leuchtbuchstaben das Wort »Ich«. Und an der entsprechenden Wand im anderen Raum lehnen Demonstrationstafeln mit Porträts, über deren Augen Striche gezogen sind. Das erinnert an mittelalterliche Madonnenprozessionen, nur dass die Idole heute zeitgenössische Popstars sind. Angesprochen sind kollektive Verhaltensmuster und moderne Subjektivität, die Grenzen der Identifikation bis hin zum körperlichen Schmerz.
Anders in Recklinghausen. Im Erdgeschoss liegen einzelne schwarzblaue Tennisbälle. An den Wänden finden sich Abdrücke, die man erst allmählich entdeckt. Dann nimmt man auch den Ton wahr: ein tiefes, nicht zuzuordnendes Maschinengeräusch, das von einem gleichför-migen Klacken unterbrochen wird. Erst im zweiten Obergeschoss klärt sich alles, von hier aus werden die Tennisbälle über rotierende Ballwurfmaschinen in den Raum geschleudert. Automatisch weicht ihnen der Besucher aus oder flieht wieder nach unten, wird damit akti-ver Teil des Kunstwerks. Bis kurz vor der Eröffnung hat Daniele Buetti am Sound gefeilt – ein Meister der Beeinflussung, um unsere Beeinflussungen bloßzulegen. //
Bis 23. November in der Kunsthalle Recklinghausen, Tel. 02361/50-1935. www.kunst-re.de. Bis 30. November im Kunstmuseum Mülheim in der Alten Post, Tel. 0208/455-4138. www.kunstmuseum-mh.de