»Auch wenn es nicht meine Geschichte ist, so sind es doch meine Gefühle«, sagt Paul Thomas Anderson in einem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau über seinen neunten Film »Licorice Pizza«, der zurück auf die 1970er Jahre, die Hippie-Ära und rauschhafte Pop- und Jugendkultur schaut. Und sich auch noch weiter durch die Filmgeschichte der Meister bewegt und auf diesem Weg zur visuellen Eleganz von Max Ophüls findet. Der 1970 in Kalifornien geborene Regisseur verehrt den 1902 in Saarbrücken geborenen Filmkünstler, nach dem ein soeben wieder zu Ende gegangenes Nachwuchs-Festival benannt ist. Am deutlichsten wohl zeigt sich diese Bewunderung in Andersons wunderbar schwebenden, ihre Kostbarkeit ausstellenden Modemacher-Biografie »Der seidene Faden« (2017) mit Daniel Day-Lewis.
Eine Paar-Geschichte steht im Zentrum des Films, der sehr viel mehr Peripherie hat mit Referenzen und Zitaten aus dem Hollywood jener Epoche. So gibt es einen Star namens Jack Holden (Sean Penn), den wir sogleich mit dem Namen William Holden verbinden, der in Billy Wilders Filmen von »Sunset Boulevard« bis »Fedora« (1978) spielte und darin zu dessen Alter Ego wurde. Und der auch etwa von Clint Eastwood in »Breezy« besetzt wurde, dessen Story wiederum in »Licorice Pizza« hineinwirkt.
Der 15-jährige Gary Valentine (Cooper Hoffman – Sohn des früh verstorbenen Philip Seymour Hoffman, der einer der Protagonisten in Anderson-Filmen wie »Magnolia« und »The Master« war) verguckt sich in die zehn Jahre ältere Foto-Assistentin Alana Kane (Alana Haim) und drängt sie zu einem Date. Für ihn ist klar: Er will sie heiraten. Sie ist amüsiert, irritiert, auch geschmeichelt, auch beeindruckt von der Selbstsicherheit des noch pickligen Knaben. Ein Glamour-Paar sähe anders aus. Dass es das nicht ist und die Zwei sich zusammentun, um ein Wasserbetten-Geschäft aufzuziehen, gehört zum Humor und Charme dieses ›Lakritz‹-Genres.
Gary, Ex-Kinderstar und noch auf der High School, ist ein geschäftstüchtiger, super-cooler, forscher Teenager mit eigener PR-Firma und cleveren Ideen fürs Money making im San Fernando Valley. Gary und Alana sind ein Paar, ohne ein Liebespaar zu sein. Das ist manchmal einfacher und manchmal schwerer, weil bestimmte Belastungen und Entlastungen fehlen und dafür anderes die Beziehung bedrückt, aber sie auch beweglich hält.
Unordnung und frühe Freud’: Es geht ums Erwachsenwerden, um Musik und Plattenläden, um Sitcoms und ums Kino, um Lucille Ball, Barbra Streisand und David Bowie, um Nixon und die Ölkrise, um Triviales und Weltbewegendes, episodisch erzählt unter der heiteren Sonne Kaliforniens in einem sehr entspannten, betörend leichthändigen, schnittigen und wie verchromten Gestus und Rhythmus.
»Licorice Pizza«, Regie: Paul Thomas Anderson, USA 2021, 134 Min., Start: 27. Januar