// Das Leben ist eine (Um-)Baustelle, behauptet die Bühne von Claudia Rohner. Tischböcke, Farbeimer, Bierkästen und Kofferradio stehen herum, Holzpaletten fahren herauf, und zur Drehscheibe wird sie auch. Nichts ist fertig, auch das Drama von Henrik Ibsen nicht, und der ›Held‹, der ihm den Namen gibt, schon gar nicht: Peer Gynt. Schattenkämpfe ficht er, hackt Holz, dass die Fetzen fliegen, doch den Balken kriegt er nicht durch. Der junge Mann überschätzt sich, die vielen Lügengeschichten, für die er bekannt ist, sind hier längst erzählt und beben in Aase, seiner Mutter, (nur) nach. Ingrids Hochzeit ist Komasaufen und Männerraufen, die Entführung der Braut ein One-Night-Stand, nach dem er sie schnöde sitzen lässt: »Der Teufel hole alle Weiber!«
Ungestüm bricht Peer auf, Solveig folgt ihm in den Wald und will auf ihn warten. Da erscheint die Grüne, zupft verführerisch das Banjo und lockt ihn in die Welt der Trolle. In vielen Farben grau sind sie verschmiert, Action-Body-Painters, die virtuos die Trommeln schlagen. Ihrem König kann sich Peer nicht entziehen, den Schwanz lässt er sich noch anpinseln, zum Einäugigen aber möchte er nicht werden. Wieder flieht er, aus der Traum vom Königreich, Kaiser will er werden: An der Küste von Marokko phantasiert er davon, in Afrika wird er zum Medizinmann hochgejubelt. Träume, Verirrungen.
Einen großen, spannenden Lebensbogen schlägt Florian Lange in der Titelrolle, auch wenn viele Stationen ausgelassen werden und die Spieldauer von gut zwei Stunden rekordverdächtig ist: Kein Visionär ist sein Peer Gynt, ›nur‹ ein ungehobelter junger Mann, der sich nicht genug ist und nicht weiß, wohin mit seiner Kraft. Heimgekehrt, muss er sich am Totenbett der Mutter, einer prosaischen Pietà, eingestehen, dass nichts übrig bleibt. »Ich bin ein Niemand.« Und Solveig hat hier einen anderen. Am Ende steht Peer allein.
Mit nur acht Darstellern kommt die Aufführung im Grillo-Theater aus, viel lässt sie weg und trifft doch den Kern des Stücks, bitter und berührend. Regisseur Roger Vontobel macht Ibsens »dramatisches Gedicht« mit Guggenmusik und Edvard Grieg auf große Weise klein, setzt auf verfremdende Andeutungen statt auf flache
Aktualisierungen. Armes Theater, reich an Möglichkeiten: unkonventionell, erfinderisch, körperintensiv, überraschend und ganz und gar von heute. // ARO