Seit Oktober 2015 ist Christina Kampmann die neue Ministerin für Kultur (sowie für Familie, Kinder, Jugend, Sport). Damit folgt sie auf Ute Schäfer, die zuletzt heftige Kämpfe mit dem Finanzminister um den Verkauf der Kunstwerke der landeseigenen Portigon AG ausfechten musste. Kampmann, 1980 in Gütersloh geboren und studierte Politikwissenschaftlerin, saß zuvor für die SPD im Bundestag. Mit Kultur war sie bisher nicht befasst.
k.west: Die Kunstszene steht zur Kulturpolitik in einem eher gespannten Verhältnis, sie hat immer Angst, nicht auf Augenhöhe reden zu können. Sind Ihnen als Kultur-Novizin Ressentiments entgegengeschlagen?
Kampmann: Eher in der medialen Berichterstattung als bei den Kulturschaffenden selbst. Ich glaube, eben weil ich beruflich vorher mit Kunst und Kultur nicht befasst war, bringe ich eine große Offenheit mit. Es ist nicht immer einfach, das stimmt. Aber mir macht es vor allem Freude, und ich hoffe, dass ich gemeinsam mit den Kulturschaffenden auch etwas voranbringen kann.
k.west: Wenn Sie sich, bildlich gesprochen, Ihre fünf Aktenordner vornehmen und dabei zur Kultur kommen, öffnen Sie dieses Fach mit einer anderen Haltung?
Kampmann: Ja, die Kulturpolitik ist anders als die anderen Bereiche. Weil sie mir persönlich sehr viel zurückgibt. Im politischen Alltag gibt es oft gar nicht die Zeit, mal innezuhalten, ein bisschen tiefer zu gehen. Das tut aber die Kultur. Und weil ich jetzt für sie zuständig bin, profitiere ich davon, bekomme mit, auf welche Weise Künstlerinnen und Künstler die gesellschaftlichen Veränderungen reflektieren.
k.west: Das hat Auswirkungen auf Ihre anderen Ressorts?
Kampmann: Auf jeden Fall. Gestern habe ich mir z.B. in Lüdenscheid die Ausstellung »Kinderleben einst und jetzt« angeschaut – da wird keine heile Welt gezeigt. Und das gibt dann wieder Denkanstöße etwa für die Familienpolitik.
k.west: Sie führen ein Riesenministerium – Ihre Vorgängerin Ute Schäfer mochte zuletzt wohl nicht mehr. Haben Sie nicht Angst, mit dem »Gedöns«, wie man unter führenden Sozialdemokraten sagt, politisch keine gute Figur zu machen?
Kampmann: Ich habe natürlich einen Riesenrespekt vor der Aufgabe, zumal ich ja zum ersten Mal Ministerin bin. Aber an etwas Negatives habe ich dabei nie gedacht. Wenn ich auf das Amt keine große Lust gehabt hätte, hätte ich nicht sofort ja gesagt. Schließlich bin ich in die Politik gegangen, um etwas zu bewegen, um Gesellschaft weiterzuentwickeln. Da kann man als Ministerin unglaublich viel tun. Und ich habe auch schon viele Ideen, für all die unterschiedlichen Bereiche, und freue mich einfach auf die kommende Zeit.
k.west: Ihnen als Ministerin für die weichen Themen begegnen keine heruntergezogenen Mundwinkel von Seiten der harten Ressorts?
Kampmann: Überhaupt nicht. Ich weiß nicht, ob das noch mal kommt. Aber wenn, dann hätte ich ganz Vieles, mit dem ich kontern könnte. Deshalb habe ich auch keine Angst davor.
k.west: Sie gehören einer deutlich anderen Generation als Ute Schäfer an. Inwiefern ist Ihr Blick auf Kultur ein anderer?
Kampmann: Ich weiß nicht, ob es einen generationsspezifischen Blick auf die Kultur gibt. Ich war vorher im Bundestag, da hatte ich viel mit der jungen Künstlerszene Berlins zu tun. Weil ich oft mitbekommen habe, welche Probleme diese Menschen mit ihrem Lebensunterhalt haben, ist individuelle Künstlerförderung für mich ein nahes Thema.
k.west: Nun gibt es in Nordrhein-Westfalen so Einiges an Künstlerförderung. Mehr kann es immer geben, vor allem Geld. Was schwebt Ihnen konkret vor?
Kampmann: Es ist nicht nur Geld. Es ist auch das Zur-Verfügung-Stellen von Räumlichkeiten oder Residenzen, zum Beispiel. Gerade das Ruhrgebiet mit seinen tollen Industrie-Hinterlassenschaften bietet sich an, um die Förderung von jungen Künstlerinnen und Künstlern noch stärker ins Visier zu nehmen.
k.west: Auch für das Land? Was Sie ansprechen, sind doch meist private oder kommunale Liegenschaften.
Kampmann: Das Land plant zum Beispiel eine Plattform, die die unterschiedlichen Fördermöglichkeiten bündelt und Raum zur Vernetzung bietet. Viele, mit denen ich gesprochen habe, wünschen sich ein bisschen mehr Licht im Dschungel. Wir haben auch die jungen Künstlerinnen und Künstler selbst gefragt, was braucht ihr eigentlich noch, welche Erwartungen habt ihr an die Politik? Gerade mehr Informationen und ein besserer Austausch werden gewünscht. Genauso wie Ateliers, Stipendien und Residenzen. Nach meinem Verständnis sollte sich Kulturpolitik nicht auf die Rolle des Geldgebers beschränken. Sie kann viel, viel mehr leisten.
k.west: Nämlich?
Kampmann: Diskussionen über gesellschaftliche Entwicklungen in der Kultur mit anzustoßen. Ich bin total gespannt, was sich zum Thema Digitalisierung in der Kultur entwickeln wird. Zum Beispiel würden viele Museen gern ihre Bestände digitalisieren, doch da gibt es das Urheberrecht, was ja auch gut ist. Allerdings müssten wir schauen, wie man trotzdem da weitermachen kann. Einfach, damit möglichst viele Menschen an den Museumsbeständen teilhaben können.
k.west: Im Ressort-Zuschnitt Ihres Ministeriums ist die Kultur umringt von den Problemen, die wir derzeit vorrangig haben. Auf Staat und Gesellschaft kommen durch die Migration unvorstellbare Aufgaben zu. Ist die Frage da nicht banal, ob NRW beispielsweise die Portigon-Sammlung erwirbt oder nicht?
Kampmann: Das finde ich gar nicht banal. Dahinter steht eine ziemlich wesentliche Frage für die Kultur. Es ist gut, dass wir die Frage des Besitzes von Kunst und Kultur in der Hand öffentlicher Unternehmen jetzt grundsätzlich angehen. Wir werden demnächst den dritten Runden Tisch dazu haben, es wurde beschlossen, dass es eine unselbstständige Stiftung geben wird, angegliedert an die Kunstsammlung NRW. Dafür ist jetzt die Satzung fertig, die Stiftung soll dieses Jahr ihre Arbeit aufnehmen. Im Hinblick auf die anderen Fragen ist das keineswegs banal, ich finde, man sollte die Bereiche nicht vermischen oder miteinander vergleichen.
k.west: All die Themen ums Schöne, Gute, Wahre sind doch geschrumpft angesichts der enormen Herausforderungen durch die Flüchtlingsfrage.
Kampmann: Finden Sie? Sobald das Elementare geklärt ist, ist die Kultur doch eine ganz wichtige Frage. Wenn wir über Integration reden, spielt Kultur eine große Rolle. Dort gibt es großartige Kompetenzen, um die verschiedenen Religionen und Ethnien zusammenzubringen.
k.west: Aber Kultur trennt auch. Sie hat bei uns im Westen ein Stadium erreicht, das so ganz anders ist als das etwa im arabischen Nahen Osten. Und NRW ist ein Land vor allem der zeitgenössischen Kunst.
Kampmann: Ihre These, dass Kultur auch trennen kann, würde ich nicht teilen. Viele Flüchtlinge, die ich erlebt habe – ich war im Innenausschuss auch für das Thema zuständig –, bringen eine große Offenheit mit für die Kultur, in die sie gekommen sind. Natürlich kann man sie nicht einfach ins K20 stellen und sagen: Das ist übrigens unsere zeitgenössische Kunst. Aber so, wie Kunst auch identitätsstiftend für uns wirken kann, kann sie es für die Neuankommenden. Kunst findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern regt zu Gesprächen und Reflexion an.
k.west: Ich würde Ihnen zum Abschluss gern drei Stichwörter zurufen, die in der Vergangenheit Probleme markiert haben. Mit der Bitte zu sagen, was Ihnen dazu einfällt: Als erstes: Museum Schloss Moyland.
Kampmann: Da investieren wir drei Millionen. Und sind schon sehr daran interessiert, dort wieder arbeitsfähig zu werden und zu einer tragfähigen Lösung zu kommen.
k.west: Schauspiel Düsseldorf.
Kampmann: Die Sanierung des Hauses wird nicht zum Saison-
start 2016/17 fertig, der neue Intendant Wilfried Schulz wird in Interimsspielstätten ausweichen müssen. Er hat gesagt, dass damit eine Öffnung in die Stadt einhergehen könnte, so dass die Situation nicht unbedingt nur negativ zu sehen ist.
k.west: Das Land als Mit-Gesellschafter sieht sich nicht in der Lage, ein bisschen mehr Druck auf den anderen Eigentümer, die Stadt Düsseldorf, auszuüben? Das Haus befindet sich doch schon länger in unterschiedlich verursachter Schieflage.
Kampmann: Ich weiß, ich weiß. Ich kann nur sagen, ich bin gespannt, was Wilfried Schulz daraus entwickeln wird.
k.west: Dritter Punkt: die Kulturaffinität der Ministerpräsidentin.
Kampmann: (lacht) Das ist kein Problembereich! In Sachen Kultur bin ich mit Hannelore Kraft immer in guten Gesprächen und sehe ein großes Interesse bei ihr, natürlich mit einem Schwerpunkt auf der kulturellen Bildung, das ist ihr wichtig. Ich kenne die Kritik an ihr, aber die kann ich für mich bisher nicht bestätigen.