Enis Maci gilt als eine der vielversprechendsten Dramtiker*innen aus NRW – und hat zum ersten Mal zu zweit einen Roman geschrieben.
Alles begann mit einem Bild, das Enis Maci und Pascal Richmann im Internet entdeckten. Es zeigte Bäume, die auf den ersten Blick die Gelsenkirchenerin an eine Ruhrpott-Birke erinnerte. Doch was ihre Neugierde weckte, war die Bildunterschrift voller Superlative darunter: »Das ist das älteste, größte und schwerste Lebewesen der Welt«. Pando in Utah, so erklärt die 31-Jährige, bestehe aus vielen Zitterpappeln, die unter der Erde rhizomatisch miteinander verbunden sind – durch einen 40.000 Jahre alten Wurzelstock. Mit genau diesem Bild ließe sich auch der Roman, den sie mit Pascal Richmann geschrieben hat, am passendsten beschreiben: Er sei der Versuch, den Wald vor lauter Bäumen zu sehen und trotzdem jeden einzelnen Baum – und damit den großen Zusammenhang. Zum Inhalt: Das Liebespaar Hans und Reja reist nach Pando und erlebt auf dem Weg dorthin rasante Abenteuer. Mit ihnen begeben wir uns durch die Jahrhunderte – von der Entdeckung Amerikas bis heute, vorbei an der Zerstörung der Welt und ihrer Reparatur. Dabei begleitet uns immer die eine Frage: Wie fällt der große Ausbeutungszusammenhang in die Leben der Held*innen ein?
Erst die Notiz, dann der Roman
Der gemeinsame Schreibprozess am Roman, so erzählt Maci, habe sich zu Beginn gar nicht so sehr von ihrer sonstigen Praxis unterschieden. Für die Autorin, die als eine der erfolgreichsten Dramatikerinnen im deutschsprachigen Theaterbetrieb gehandelt wird, beginne die Arbeit am Text schon weit vor dem ersten Word-Dokument – mit der Notizen-App auf dem Handy. Vor jedem Text notiere sie Ideen, Gesehenes, Entdecktes: »Fast so lange wie das Schreiben selbst dauert diese Gärungsphase an, in der das Material erst zu sich kommt, manche Dinge verrotten, wegfallen oder sich verwandeln. Diese Art, auf die Wirklichkeit zuzugehen, ergibt sich aus einer bestimmten Aufmerksamkeit.« Dabei seien die Inspirationsquellen vielfältig – von Nachrichtenfragmenten und literarischen Lektüren bis zu historischen Quellen. Auch »Pando« seien solche Notizen vorausgegangen.
Die Arbeitsweise der beiden habe sich aber auch aus technischen Möglichkeiten ergeben – zunächst hätten beide von unterschiedlichen Orten in einem gemeinsamen Dokument geschrieben. »Und dann kommt der Moment, das Esoterische, Magische, in dem beide Sprachen etwas Neues erschaffen. So als würde 1 und 1 auf einmal 3 ergeben. Und diese dritte Sprache ist die Sprache des Romans.« Eine Sprache, die uns als Einheit so poetisch-wild durch Zeiten und Länder, vom Dortmunder Hauptbahnhof über LA nach Veracruz, durch Modetrends, Lyrics, geschichtliche Ereignisse, Biografien und Katastrophen schleudert, dass sie den Roman selbst zur Inspirationsquelle werden lässt: dafür, das Große im Kleinen und das Kleine im Großen zu sehen.

Enis Maci/Pascal Richmann: »Pando«, Suhrkamp, 206 Seiten, 24 Euro