Als Kind kletterte sie am liebsten auf Bäume. Als erwachsene Frau bestieg Trisha Brown die Wolkenkratzer New Yorks. Extravagante Schauplätze zogen die Tänzerin und Choreografin magisch an. Erst eroberte sie Parks und Wiesen, dann besetzte sie Straßen, Plätze oder – auf Flößen – Seen. Wer im 1970 nichtsahnend in Soho unterwegs war, konnte sich buchstäblich mit »A man walking down the side of a building« konfrontiert sehen oder mit »Leaning duets«. Ein Jahr später legte Trisha Brown einen Zwischenstopp an den Wänden ein (»Walking on the wall«), bevor sie und ihre Truppe endgültig die Dächer Manhattans stürmten: Das »Roof Piece« (1973) wurde auf zwölf Dachgiebeln eines New Yorker Häuserblocks gegeben. Eine Art tänzerische »Stille Post«, bei der jeder Tänzer seine Bewegungen an einen anderen Darsteller auf dem nächsten Dach weitergeben musste. Trisha Brown ging es in all diesen Stücken nicht nur darum, Aufsehen zu erregen. Sie nahm Räume in Besitz, um sie zu erkunden. Dabei experimentierte sie mit der Schwerkraft und hängte ihre Tänzer auch schon mal an die Decke, wo sie sich – Kopf nach unten – bewegen mussten. Mit ihren frühen Werken stellte die Avantgardistin die herkömmliche Konzeption des Theater-Raums wortwörtlich auf den Kopf und verlieh dem amerikanischen Tanz eine völlig neue Dimension. Trisha Brown, geboren am 25. November vor 70 Jahren in Aberdeen/Washington, ist eine der einflussreichsten Protagonistinnen der amerikanischen Postmoderne. Sie studierte Tanz am Mills College in ihrer Heimat und besuchte Sommerkurse von José Limón, Merce Cunningham und anderen. Überdrüssig der festgefahrenen Strukturen des amerikanischen Modern Dance und seiner konventionellen Lehrmethoden, nahm Brown an einem Kurs der experimentellen Choreografin und Pädagogin Anna Halprin teil. Sie entdeckte für sich die Improvisation und begann, ihr eigenes Idiom zu entwickeln. 1961 schloss Trisha Brown sich in New York dem legendären Kompositionskurs des John Cage-Schülers Robert Dunn an, der geübt in der und bekannt durch die Unterweisung von Cunningham-Studenten war. Aus diesem Kurs entwickelte sich die Judson Church-Bewegung, bezeichnet nach der Judson Memorial Church in Manhattan, wo die Tanzrebellen um Yvonne Rainer und Steve Paxton regelmäßig ihre »Concerts of dance« aufführten.
1970 gründete Trisha Brown dann ihre eigene Company und begann, Zeit und Bewegung zu erforschen. Mit architektonischer Logik entwickelt sie serielle Tanzsysteme – Minimalismus in Reinkultur. Das ging so: Von einer Drehung des Daumens ausgehend, ersann sie – zunächst in dem Solo »Accumulation« (1971) zur Musik der Grateful Dead – eine Choreografie, bei der auf jede neue Bewegung sämtliche zuvor ausgeführten folgten. Dabei wurde diese zunächst achtmal allein gezeigt, dann achtmal zusammen mit den vorausgehenden. Ein simples System der erinnerten Gesten mit enormer Wirkung. »Accumulation« markierte so den Übergang zu Browns Experimenten mit mathematischen Strukturen. Elemente dieses Ur-Solos finden sich in anderen Stücken und sogar in den jüngeren Arbeiten.
Später kreierte Brown abendfüllende Stücke für die Bühne, beginnend 1979 mit »Glacial Decoy«, ausgestattet von Robert Rauschenberg. Sie entwickelte ihren Stil weiter in Richtung fließende Modern-Dance-Virtuosität, und seit den 1990ern choreografiert Brown auch klassische Musik (»Orfeo«, 1998). Allerdings reichen diese Arbeiten nicht an ihre wegweisenden Anfänge heran. Im Rahmen der RuhrTriennale präsentiert die Trisha Brown Dance Company drei neuere Werke Browns bei PACT Zollverein: »Present Tense« (2003) zur Musik John Cages, »Geometry of Quiet« (2002), für das Trisha Brown auch erstmals als Bühnenbildnerin tätig war, und »Groove and Countermove« (2000). //
PACT Zollverein, Auff.: 6. bis 8. September, www.ruhrtriennale.de