TEXT: ANDREAS WILINK
Was ist das – Nostalgie? Sehnsucht nach dem Geregelten und nach vertrauten Mustern. Die 1950er Jahre, die uns so altbacken, muffig und verzopft vorkamen, erscheinen im Kino in einem anderen Licht, gewissermaßen im New Look – farbenfroh leuchtend, beschwingt, formschön, geradezu kess. Und die Verhältnisse, in denen Männer und Frauen ihren hergebrachten Platz hatten, auf einmal als stabilisierender Faktor. Gelegentlich gibt es doch ein richtiges Leben im falschen.
Nun, wir reden von einer Komödie, nicht von der Wirklichkeit, und von der Ausschüttung von Glückshormonen. Doch zur Sache, die weder ganz naiv noch ironisch inszeniert wird. Rose, Tochter aus einem Krämerladen aus der Basse-Normandie, bewirbt sich als Sekretärin in Lisieux, auch nicht gerade Paris, aber immerhin eine Stadt. Das Versicherungsbüro von Louis Echard öffnet ebenfalls nicht das Tor zur Welt, andererseits, der Chef sieht nett aus. Das deutsche Kino jener Jahre hätte die Rollen mit Liselotte Pulver und Paul Hubschmid besetzt – so ähnlich müssen wir uns Déborah François, die eine niedliche Schnute ziehen kann, und Romain Duris vorstellen, der schmale Lippen macht und das Kinn verkantet, wenn es nicht nach seinem Kopf geht.
Weil er sich mit dem Alltäglichen nicht zufrieden gibt und eigene Wertsteigerung braucht, will er, dass Rose etwas Besonderes wird: zum Beispiel Weltmeisterin im Schreibmaschineschreiben. Heutzutage vergleichbar mit dem Wettbewerb um Germanys Next Top Model. Roses Zweifingersystem muss vermehrt, die Leistung perfektioniert, Schnelligkeit gedrillt werden. Damals bezwang der Mensch noch die Maschine und nicht umgekehrt (auch ein Motiv, das von der Gegenwart entlastet). Bis Rose so tippt, dass es den Takt von Jerry Lewis in seinem berühmten Sketch hat und wie Twist klingt, bis sie es in die Regionalausscheidung, zur Landesmeisterschaft, auf die Cover von Elle und Paris Match bringt und schließlich nach New York ins Finale, dauert es. »Mademoiselle Populaire« ist eine Art Pygmalion- bzw. »My fair Lady«-Variation, nur, dass das Sprechen-Lernen hier durchs Schreiben ersetzt wurde. L’amour spielt auch mit, wobei Régis Rainsard die in Rot getauchte Liebesszene zwischen Rose und Louis dreht, als stünde Mister Hitchcock in den Kulissen und wetzte das Messer. Rose wird auf ihrer alten Triumph-Schreibmaschine siegen. Ein vollkommener Triumph.
»Mademoiselle Populaire«; Regie: Régis Rainsard; Darsteller: Déborah François, Romain Duris, Bérénice Bejo, Mélanie Bernier, Miou-Miou; F 2012; 111 Min.; Start: 11. April 2013.