1740 hatte ein gewisser Monsieur Hubert Le Blanc mit einem Traktat noch alles versucht, die an den Höfen und in den Salons allseits beliebte Viola da Gamba vor dem Verstummen zu retten. Er beschimpfte die konkurrierende Violine als »Pygmäe«. Und auch das Violoncello, das nur optisch der Gambe ähnelte, kam bei Le Blanc nicht nett weg. Doch es sollte nichts nutzen. Und so fiel im Laufe des 18. Jahrhunderts dieses einzigartige Streichinstrument in einen langen Dornröschenschlaf – um zwei Jahrhunderte später von der Alten-Musik-Bewegung endlich wieder wachgeküsst zu werden. Auch bei den neuesten Tagen Alter Musik in Herne kann man sich nun an der sonoren und dann wieder sprunggelenkigen Gambenstimme erfreuen. Wenn der italienische Meistergambist Teodoro Baù in seinem Konzert mit dem treffenden Titel »Herbst der Gambe« Sonaten von Bach und Carl Friedrich Abel präsentiert, der die letzten großen Werke für den Sechssaiter geschrieben hat.
Um einstige Modeinstrumente, aber vor allem um Komponisten, die zu ihrer Zeit neue Strömungen anstießen, dreht sich jetzt das Gesamtprogramm des Traditionsfestivals. »Die neue Ausgabe der Tage Alter Musik in Herne ist eine Art ʻIn & Outʻ-Liste musikalischer Trends über fünf Jahrhunderte«, so der Künstlerische Leiter Richard Lorber. »Hier treffen Trends und Trendsetter zusammen, die den Zeitgeist ihrer Epochen musikalisch prägten.«
Zum guten Herner Ton gehören dabei auch diesmal prominente Interpreten aus der Originalklangszene. Wie der südafrikanische Hammerflügel-Experte Kristian Bezuidenhout, der mit dem Kammerorchester Basel Mozart spielt. Aus dem benachbarten Belgien reist das phänomenale Huelgas Ensemble unter der Leitung seines Gründers Paul Van Nevel an, um äußerst kunstvoll gestaltete Vokalhits von Renaissance-Titanen wie Antoine Brumel, Josquin Desprez und Orlando di Lasso zum Besten zu geben. Und das mit Star-Gambistin Hille Perl hochkarätig besetzte Freiburger BarockConsort setzt ganz auf barocken Tanzgroove mit geradezu hypnotischem Techno-Feeling.
Pomp und Prunk
Bei den zehn Konzerten kommen aber auch wieder die Fans und Connaisseure der Barockoper auf ihre Kosten. Und diesmal sogar gleich zweimal! Von der heute völlig vergessenen Italienerin Antonia Bembo hat das Stuttgarter Ensemble Il Gusto Barocco die 1707 in Paris uraufgeführte Oper »L´Ercole amante« im Gepäck. Wem dieser Titel bekannt vorkommt, der liegt natürlich völlig richtig. Immerhin hatte bereits ein halbes Jahrhundert zuvor Bembos berühmter Lehrer Francesco Cavalli diese Legende vom »verliebten Hercules« für die Hochzeit des Sonnenkönigs vertont.
Aber nicht nur die Bourbonen verstanden es, in Versailles zu feiern und sich dabei im eigenen Glanz zu sonnen. Auch die Habsburger liebten den musikalischen Pomp und Prunk. Davon erzählt die zweite Opernausgrabung bei den Tagen Alter Musik: 1725 komponierte der Wahl-Wiener Antonio Caldara zum Namenstag von Kaiser Karl VI. seine Oper »Il Venceslao«. Dieses mit aberwitzigen Arien gespickte Prachtwerk über den polnischen Herrscher Wenzel zündet jetzt das vielfach gefeierte, polnische {oh!} Orkiestra. Unter der Leitung von Martyna Pastuszka schlüpft in die Titelpartie kein Geringerer als der Countertenor für solche Opern-Trouvaillen schlechthin – Max Emanuel Cencic.
47. Tage Alter Musik Herne »Mode und Stil«
9. bis 12. November