TEXT: STEFANIE STADEL
Sie kannte sich aus mit wirkungsvollen Auftritten. Um Marcus Antonius zu betören, ließ Kleopatra beim ersten Treffen die Bankettsäle kniehoch mit Rosenblüten fluten. Und das Schlafgemach wohl gleich dazu. Durch ein Meer duftender Blätter musste der mächtige Römer waten, um zu der Königin vom Nil zu gelangen. Das Spektakel hatte bekanntlich Erfolg – Antonius wurde schwach und Kleopatras Liebhaber.
Die Blumenliebe der Ägypter hatte schon damals, zu Kleopatras Zeiten, eine lange Tradition. Es muss regelrechte Großgärtnereien gegeben haben. So weiß man aus alten Quellen, dass in den Tempeln täglich große Mengen von Blumensträußen geopfert wurden. Doch nicht nur in Heiligtümern und Schlafzimmern, auch in prachtvollen Gärten erfreute man sich und andere an der Pracht. In Abydos nahe Luxor haben Archäologen unlängst den mit fast 4.000 Jahren ältesten im Original nachweisbaren Garten der Menschheit ergraben.
Man weiß von baumbestandenen Alleen, die zu den Pyramiden führten, hat Kunde von kleinen Stadtgärten, an denen sich die altägyptische Oberschicht erfreute, und von königlichen Palästen mit riesigen Parks, wo sich Teiche und Wasserbecken, Weinlauben und Opferstätten fanden. Daneben gab es aber auch Nutzgärten und Plantagen. Die Bundeskunsthalle kann sich also auf eine gewichtige historische Grundlage berufen, wenn sie nun – parallel zur großen Kleopatra-Schau im Haus – auf dem Dach einen »Orientalischen Garten« anlegt.
Zu gern auch erinnert man sich in Bonn an den großen Publikumserfolg mit »Liebermanns Garten« im vorletzten Sommer. Während allerdings der Garten des Malers am Wannsee tatsächlich und dazu noch auf etlichen Gemälden zu bewundern ist, gestaltet sich die Recherche diesmal ungleich schwieriger. Wie könnte ein Garten ausgesehen haben, in dem sich die Traumfrau der Antike einst umgetan hat? Diese Frage hat offenbar bereits das 19. Jahrhundert beschäftigt, als Kleopatra als verführerisches Bildmotiv in Mode kam. Auf etlichen Gemälden von Makart bis Moreau sieht man sie mehr oder weniger nackt im Grünen lagern. Zwischen Palmwedel und Orchidee – nichts als Fantasie.
DER ÄGYPTER LIEBTE DAS HOCHBEET
Denn Kleopatras Heimstatt mit vermutlich dazugehörigem Garten ist untergegangen. Wohl bereits 335 nach Christus bei einem verheerenden Erdbeben samt nachfolgender Flutwelle. Seit den 1990er Jahren haben Meeresarchäologen das Terrain im heutigen Hafen von Alexandria erkundet, doch sind dabei bisher keine erschöpfenden Erkenntnisse zu einer etwaigen Gartenanlage aufgetaucht.
Sehr wohl aber Reste des Palastes, von dessen unglaublich luxuriöser Ausstattung auch alte Beschreibungen zu berichten wissen. Kaum weniger aufwändig dürften die dazugehörigen Gärten gestaltet gewesen sein, vermutet Agnieszka Lulinska, die als Projektleiterin in der Bundeskunsthalle mit der Kleopatra-Schau und ebenso mit der Realisierung des Dachgartens befasst ist.
Aus Mangel an Beweisen für die Existenz und Gestalt eines Gartens der Kleopatra hält man die Bonner Lösung reichlich unverbindlich. Die Anlage auf dem Dach beruft sich weder auf konkrete antike noch auf allein ägyptische Vorbilder. »Orientalisch« soll der Garten sein. Dabei möglichst architektonische Elemente und Gewächse zusammenführen, die es in altägyptischen Gärten gegeben haben könnte. Die Palmenallee etwa – in Bonn verläuft sie längs über das Dach und ist von vielen Hanf- und ein paar Dattelpalmen bestanden. Wie im Alten Orient ist auch hier oben alles geometrisch angelegt und streng axial ausgerichtet. Rechteckig-langgezogene Wasserbecken werden aufgemauert und ebenso geformte Hochbeete – auch der alte Ägypter hob seine Blumenbeete in der Regel auf Hüfthöhe.
Solche architektonischen Einzelheiten sind durch Ausgrabungen wie jene in Abydos bekannt. Oder auch aus den zahlreichen Wandbildern, die in Gräbern gefunden wurden. Aber woher weiß man, was dort vor zwei-, drei- oder viertausend Jahren wuchs? Ursprünglich wird die Blumenpracht in Ägypten nicht besonders vielfältig gewesen sein, schätzt der Bonner Gartengestalter Friedrich Meiberth. Man habe sich wohl darauf beschränkt, die am Nil ohnehin vorhandenen Gewächse ans Haus zu holen. Erst nach und nach seien neue Arten und Sorten aus Griechenland beispielsweise, vor allem aber aus dem Kaukasus importiert worden.
Genauere Auskunft über das Sortiment geben wiederum Wandmalereien, außerdem Beschreibungen in Gedichten und Fabeln. Oder auch Keramik – man kennt Gefäße in Granatapfelform, Schalen mit Feigendekor, Krüge, die wie Lotusblütenkelche aussehen.
KORNBLUMEN FÜR TUTANCHAMUN
Auch Reste echter Pflanzen haben sich hier und da über die Jahrtausende erhalten. Zum Beispiel an jenem Kranz, der dem früh verstorbenen Tutanchamun 1323 v. Chr. auf die Brust gelegt wurde: Kräftig blaue Kornblumen, die hellere Blüte der ägyptischen Seerose, das gelbe Bitterkraut, Ölbaumblätter und blühender Sellerie wurden im heute traurig braun-verwelkten Etwas identifiziert.
Das meiste davon soll nun auch das Bonner Bouquet bestücken. Beim Rundgang Mitte April ist davon noch nicht viel zu sehen. Ein scharfer Wind weht übers Dach, und die Temperaturen fühlen sich gar nicht nach Ägypten an. Deshalb sind vorerst nur Bäume und Sträucher vor Ort. Die Blumen bleiben so lange es geht im Gewächshaus. Erst kurz vor der Eröffnung des »Orientalischen Gartens« am 17. Mai will man sie – dann hoffentlich schon erblüht – der hiesigen Witterung aussetzen.
Die weiße Kamille, die goldgelbe Margerite, den knallroten Klatschmohn. Mimose, Brautmyrte und Sommerjasmin. Wohlriechendes Veilchen, zottiges Weidenröschen und natürlich Rosen über Rosen. All das und noch viel mehr soll auf der Bundeskunsthalle nicht durcheinander wuchern, sondern in Farb-, Duft- und Wassergarten seine Wirkung entfalten. Besonders gespannt ist Gartengestalter Meiberth auf das Experiment mit dem Lotus, den er im gesonderten Bassin zum Blühen und Fruchten bringen möchte.
KANÄLE FÜR DIE BEWÄSSERUNG
Auf dem Dach in Bonn könnten Wind und unfreundliche Witterung den Pflanzen und Gärtnern das Leben erschweren. Mit ganz anderen Widrigkeiten hatten sie im Ägypten der Antike zu kämpfen. Damit in Hitze und Trockenheit alles gut gedeihen konnte, waren ausgeklügelte und aufwändige Anlagen nötig. So wurden etwa Teiche angelegt, die durch unterirdische Kanäle direkt mit dem Nil verbunden waren.
»Allein an den Gärten konnte man ablesen, wer reich war und wer superreich war im alten Ägypten«, weiß Meiberth. Schatten und Kühlung, Blütenduft und Farbenpracht – es gab genug gute Gründe für den wohlhabenden Ägypter, sich solch einen Luxus zu leisten. Doch wäre es wohl falsch, ihn allein als hübsches Privileg oder als Statussymbol zu sehen. Als Ort, an dem die Elite Erholung findet. Es steckte sicher mehr dahinter: Der Garten sollte eine Brücke zum Jenseits sein.
Nicht umsonst finden sich so viele Gartendarstellungen in altägyptischen Gräbern. Diese Kultur dachte das Leben vom Jenseits her. Das Werden und Vergehen der Vegetation war immer auch Sinnbild der Wiedergeburt. Wenn denn der Verstorbene als Seelenvogel dereinst zurückkehrt, sollte er in seinem Garten ein Refugium finden, so der Wunsch. Auf »dass ich Wasser trinke von meinem Teich Tag für Tag und all meine Glieder gedeihen.« Wer weiß, vielleicht macht ja Kleopatras Vögelchen demnächst einen Ausflug nach Bonn.
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn. 17. Mai bis 6. Oktober 2013; Tel.: 0228/9171-200. www.bundeskunsthalle.de