// Den klangvollen und sinnreichen Künstlernamen verlieh Jörg Immendorff seiner Frau Michaela Danowska: Oda. Es ist das altdeutsche Wort für Gold. Jaune wiederum meint im Französischen die Farbe Gelb. Ein glänzender, weicher Name, mit dem Oda Jaune sich identifiziert. Ja, es sei Liebe gewesen, diesen Mann zu heiraten. »Wir haben viel voneinander gelernt«, sagt sie. Dass es zuletzt auch Qual war, dass die Paparazzi über den todkranken Ehemann kletterten, um das beste Bild zu schießen, bevor der »Malerfürst« dann vor knapp zwei Jahren starb, verschweigt sie lieber. Die Sensationsgier von Pressefotografen der Boulevard-Blätter muss ein Horror gewesen sein. Lange habe sie gebraucht, um die Szenen mit den Kamera-Jägern zu vergessen.
Oda alias Michaela entstammt einer Künstlerfamilie aus Sofia. Der Vater arbeitete als Grafiker und zuletzt in Düsseldorf als Bildhauer. Ihre Mutter ist gleichfalls künstlerisch begabt. Ihre Schwester Ioanna Danowska hat bei A.R. Penck studiert und ihr von der Düsseldorfer Kunstakademie vorgeschwärmt. Der Maler und Bildhauer Immendorff war ein Monument, bestaunt wie eine Art Wundertier. Wie kann man da zu seinem eigenen Stil kommen?
Als Oda Jaune vor wenigen Wochen eine Zweitwohnung in Paris nahm, merkte sie auf einmal, dass sie bis zu ihrem 29. Lebensjahr von Familie umgeben war. Nun genießt sie die emanzipatorische Freiheit in der Metropole, wo sie anonym bleiben kann. Noch immer entstehen in ihren Arbeiten düstere, albtraumartige Szenen, als suche sie die Seele des Menschen hinter der Fassade. Aber die Palette wird farbiger, ihre Malerei souveräner.
Sie hat eine Begabung zur Beobachtung – Wahrnehmungslust und Aufnahmebereitschaft. Durch die Straßen gehen und staunend einen Radfahrer mit dunklen Sportschuhen betrachten oder bloß irgend eine Ecke. Typisch für sie ist die Geschichte, wie sie durch ihre Fahrprüfung gefallen ist, »weil ich an ganz andere Sachen gedacht hatte. Da kam ein anderes Auto daher, und ich hätte fast einen Unfall verursacht«. Mit den Gedanken woanders sein – das kehrt in ihrer Malerei wieder. Inzwischen hat sie längst ihre Fahrerlaubnis, lässt aber den Wagen in Düsseldorf, wenn sie in Paris Visite macht.
Nun zeigt Oda Jaune in der renommierten Galerie Daniel Templon in der Nähe des Centre Pompidou ihre jüngsten Bilder. Templon lobt die traumhafte Atmosphäre der Gemälde, den Einfluss der Surrealisten, die Erinnerung an Hollywood-Filme, aber auch Anklänge an den Sozialistischen Realismus. Ihre Kunst folgt keinem Trend, sondern nur den eigenen Phantasien. Sie malt eine Dreiviertel-Hose mit Fleischwurst-Beinen. Die Beine verlaufen wie ein U, führen von einem Hosenbein zum anderen. Und da sie auf Papier getuscht sind, meint man einen Lichtschatten auf ihnen zu sehen, wo doch nur das Papier frei gelassen ist.
Manches Motiv wirkt, als denke Oda Jaune an das langsame Sterben ihres an ALS erkrankten Mannes zurück, wenn sie beispielsweise die Pediküre-Damen malt, die eine Figur mit langen Beinen und abstraktem Oberbau behandeln. Aus einem alten Medizinbuch scheinen diese Frauen entsprungen zu sein, ihre Tätigkeit ist rätselhaft und beinahe unheimlich. Wären nicht die herrlichen Pfingstrosen am Kopfende der so ungestaltig endenden Gestalt. Die Blumen aber korrespondieren mit einem frei gesetzten Herzen, dem gleichfalls Duft auszuströmen scheint. Die Pediküre steht fern aller Zeiten, dennoch fragt man sich, ob sie nicht vielleicht in einem weiteren Sinn etwas mit Jörg Immendorff und seinem Schick-sal zu tun hat? Das letzte Bild, das er in der
Akademie-Galerie am Burgplatz in Düsseldorf zeigte, präsentierte einen gebrechlichen Menschen mit den Füßen im Wasser. Hat nicht Joseph Beuys, Immendorffs Lehrer, in imitatio Christi den Schülern die Füße gewaschen, weil ein Lehrender immer auch ein Lernender und somit demütig sein soll?
Oda Jaune musste lernen, praktisch zu werden. Die junge Witwe richtet sich ein im neuen Leben, führt Prozesse, regelt das Erbe. Im Gespräch über ihre Arbeit fallen Sätze, die wohl auch ihre Einsamkeit verraten: »Keine Figuren, die ich male, kenne ich. Wenn ich Gefühle oder ein Wissen über den Charakter und das Leben des Menschen hätte, den ich male, würde ich mich in meiner Freiheit beschränken.«
Ein Urlaubsbild vom Strand, eine Szene am Straßenrand, der Besuch in einem ärmlichen Hotel, ein JPEG aus dem Internet, alles kann zum Bild werden. Die Figur einer Flora aus der Mythologie taucht auf und besiedelt eine Leinwand. Ein Bündel mit rotem Kreuz und roter Schleife auf wolkigem oder dunklem Grund erinnert an die Videoskulpturen von Tony Oursler, aber den Balg hat Oda Jaune von einer Sexpuppe für Soldaten im Zweiten Weltkrieg entliehen und zudem als Erinnerungsrest von einer Abitur-Feier genommen, bei der die Gymnasiasten im geliehenen Auto mit einer Juxpuppe über die Königsallee gedüst sind.
Beim nächsten Bild lässt sich fragen, wieso ausgerechnet das Motiv eines amerikanischen Sektenführers, das sie in der Bild-Zeitung auftat, Anlass für ein Aquarell wurde. Der große Mann steht mit einer kleinen Frau, beide halten Händchen und lächeln sich zu. Eine merkwürdige Verbindung, irritierend. Oda kann solch einer Szene nachträumen, bis sie im Nichts verschwindet oder sich schnell mit Tusche auf einem Blatt Papier fixiert. Sie muss die Dinge dann bloß noch freistellen, etwa den lachenden Männerkopf mit Sonnenbrille, der blöd wie eine Werbemaske lacht und den sie sich aus einer PR-Broschüre für die US-Army geholt hat.
Zu Lebzeiten von Jörg Immendorff, den sie im Jahr 2000 geheiratet hat und von dem sie im Jahr darauf eine Tochter bekam, spielte sie bei VIP-Events und Szene-Treffs die Schöne und lächelte für die Öffentlichkeit. Bei ihrer eigenen Vernissage vor zwei Jahren in Berlin verkrümelte sie sich ans Ende der Tafel und diskutierte lieber mit Christoph Schlingensief. Das große Wort zu führen, wie es ihr Mann getan hat, liegt ihr nicht. Aber sie war stark genug, die junge Familie über Katastrophen, Kokain-Partys und Krankheiten hinweg zusammen zu halten. Oda Jaune hat im letzten Jahr zurückgezogen gelebt und gearbeitet. Telefonate liefen auf einem Anrufbeantworter auf. Sie weiß jetzt, was sie will, nicht Witwe und nicht Society-Beauty sein, sondern Malerin.
Szenen auf ihren Bildern wirken wie eingefroren. Ein paradiesisch schönes Garten-Panorama mit einem sitzenden Jungen im Mittelgrund manifestiert Erinnerungen an Ferien in ihrer Heimat Bulgarien und einem Kinderfest in Düsseldorf. Oda Jaune sah dort mal einen wohlgenährten Jungen mit entblößtem und bemaltem Oberkörper, als sie ihre Tochter von einer Geburtstagsfeier abholte. Der Knabe habe isoliert auf dem Rasen gesessen – auf ihrem Bild nun rutscht das dunkle Farbwasser einer Taube auf sein Haupt, als wolle der Vogel das Kind segnen. Oda Jaunes Bilder sind Erscheinungen. //
Galerie Templon, Paris, bis 13. April 2009