// Als Programmbeitrag zum Kulturhauptstadt-Projekt »Mapping the Region« zeigt das Josef Albers Museum Quadrat Bottrop mehr als einhundert Industrielandschaften von Bernd und Hilla Becher. Nicht das Einzelobjekt – Förderturm, Gasometer, Hochofen oder Silo – wird in diesem Werkkomplex isoliert für sich betrachtet. Die Perspektive weitet sich. Die Totale der Bergwerke und Hüttenbetriebe, eingebettet in ihren räumlichen Kontext, ihre soziale Bedingtheit und ökonomische Funktion, gerät in den Kamera-Blick. Es sind epische Panoramen, nach stark kompositorischen Kriterien ausgewählt und gestaltet, wie das Künstlerpaar selbst sagte, und bis an die Grenze der »Entrealisierung des Gezeigten« (Werner Spies) geführt. Da ragen Türme, trutzig und wuchtig wie Ritterburgen, scheinen Schlachtschiffe auf festem Grund zu ankern und sich eine Welt wie für Don Quichotte zu phantasieren.
Bernd und Hilla Becher haben sich in der Dokumentation des Kohle-, Eisen- und Stahlzeitalters nicht aufs Revier beschränkt, sondern sich auch in Frankreich, England und den USA (etwa in Bethlehem/Pennsylvania) auf Spurensuche begeben. »Vergleichendes Sehen« nennt es Heinz Liesbrock in seinem im Katalog zur Ausstellung publizierten Aufsatz: eine Sicht, die bei den Porträts der komplexen Werkanlagen auch nationale Bau- und Mentalitätsunterschiede registriert.
Die Beschäftigung mit der Industriekultur nahm ihren Anfang im Siegerland, der Heimat von Bernd Becher, wo er – aufgewachsen in der Nähe der Gruben der Hainer Hütte – seit den 50er Jahren zunächst die von Schließung und Abriss bedrohten Zweckbauten zeichnerisch festhielt. Als er merkte, dass dies zu langwierig war, begann er zu fotografieren.
Zeigen, wie es wirklich war: Der historisch dokumentarische Strang im »objektiv« angelegten Werk der Bechers kreuzt sich mit einer ästhetischen Linie. Der Apparat wird zur Muse. Der asketisch-sachlich, präzise und detailgenau fixierte Bildgehalt, der in der fotografischen Tradition von Eugène Atget, August Sander und Walker Evans steht, veränderte sich mit der Zeit, als sich der Status der Motive seinerseits änderte. Nicht mehr nur Artefakte und Stilvarianten interessanter Architektur, sondern Monumente einer in der Realität und im Bewusstsein schwindenden Lebenswirklichkeit und Arbeitsexistenz. Die »anonyme Skulptur« – ein Begriff, den die Bechers auf ihre Objekte anwandten – wird zum Denkmal. Wobei Typisierung und Individualisierung sich nicht ausschließen, sondern das Besondere gerade durch minimale Veränderung im Allgemeinen aufscheint. Der Zugriff durch Systematisierung, Standardisierung und übersichtliche Ordnung der technischen Urformen (wie beim Kollegen Karl Blossfeldt, der Pflanzen fotografisch katalogisierte) schuf das epochale Archiv der Bechers: Kunst, die die Melancholie der traurigen Maschinen erkennt, den Verlust erfasst und ihn im Bild ›aufhebt‹. // AWI
7. Februar bis 2. Mai 2010; zur Ausstellung erscheint in Zusammenarbeit mit dem Verlag Schirmer/Mosel das Buch »Bergwerke und Hütten«, 188 S., 154 Duotonetafeln, Broschur, 36 Euro im Museum.