Nicht ohne das ihnen eigene Pathos entschuldigten sich die Tindersticks auf ihrer Internetseite nach zwei Konzerten an der Berliner Volksbühne im vergangenen Februar dafür, dass das Premieren-Publikum ihres »The Waiting Room«-Projekts auf dem Boden sitzen musste. Es passt zum snobistischen Image der britischen Band, die Christoph Jacke in der Musikzeitschrift Spex treffend »die James Bonds des Pop« genannt hat. Die Ruhrtriennale geht da auf Nummer sicher. In der Lichtburg entsprechen gewiss nicht nur die gepolsterten Sessel den Ansprüchen der Band und ihrer Fans. Auch Leinwand und Projektor spielen bei »The Waiting Room« eine gewichtige Rolle, denn in Kooperation mit dem Filmfestival in Clermont-Ferrand entstanden zu den elf Stücken des Albums Kurzfilme, die bei den Konzerten live vertont werden.
Dabei war die Aufgabe der Regisseure, Videokünstler und Fotografen nicht die Umsetzung der Songs in Bilder. Oftmals hatten sie als Grundlage nur Rohmaterial der Kompositionen. Stattdessen wünschte sich der Kopf und Sänger der Gruppe, Stuart A. Staples, eigenständige Videoarbeiten, die wie Resonanzräume für die Lieder wirken. Dieser sehr offene Ansatz unterscheidet »The Waiting Room« vorrangig von anderen Album-Verfilmungen wie sie etwa auch schon Beck, Woodkid, Tiefschwarz und Florence Welch umsetzten.
Seit ihrer Gründung 1991 bewegen sich die Tindersticks im Kosmos pathetischer Melancholie und gepflegter Depression. Nicht umsonst bezeichnet Stuart A. Staples Ian Curtis als sein größtes Vorbild, den Sänger der New-Wave-Band Joy Division, der sich 1980 erhängt hat. Nick Cave und Leonard Cohen schwingen ebenfalls deutlich mit. Die Klang-Landschaften um Staples’ stilbildende Stimme sind, geschult an ihren Soundtrack-Kompositionen für die Filme von Claire Denis, mal mehr, mal weniger orchestral gebaut. Auf dem 2016 veröffentlichten »The Waiting Room« erscheinen sie zurückgenommener als auf dem Vorgänger-Album und sind um entspannte Jazz-Anklänge ergänzt, die nicht zuletzt die Bläserarrangements des Saxofonisten Julian Siegel verantworten.
Die elf Filme zu den Songs zeigen eine überraschend ähnliche Herangehensweise der Künstler: Nur Amaury Voslion und der Fotograf Richard Dumas erzählen zu »How We Entered« etwas wie eine Geschichte. Die Mehrzahl ist eher statisch und öffnet tatsächlich nur jenen optischen Resonanzraum, den sich Staples wünschte. Gabraz Sanna und Sara Não Tem Nome lassen zu »We are Dreamers« ein Mädchen mit Schaufel ratlos neben einem riesigen Baufahrzeug in öder Landschaft herlaufen; zu »Hey Lucinda« zeigen die Multimediakünstler Joe King und Rosie Pedlow in hohlen Glücksversprechen leuchtende Geschäftsfronten; Pierre Vinour illustriert »Were We Once Lovers?« mit einer rasenden Autofahrt im Zeitraffer. In ihrer fast gleichgültigen Coolness setzen die Videos einen angenehmen Kontrapunkt zu der manchmal zur Larmoyanz neigenden Musik. (HORA)
18. September 2016, Lichtburg, Essen; www.ruhrtriennale.de