//Reichsein ist auch kein Zuckerschlecken mehr. Das Lifestyle-Styling ist eine rechte Mühsal geworden. Nichts läuft mehr ohne das Sammeln zeitgenössischer Kunst. Immer diese marternden Fragen: How to spend it, damit meine Gäste neidgrün anlaufen? »Welche Kunst knallt?«, wie es feinsinnige Art-Magazine zu formulieren wissen. Immer auf der Pirsch nach dem nächsten neuesten Jungstar mit den am irrwitzigsten steigenden Preisen. Immerzu zermürbende Grübeleien: Gehört in mein Portefolio nicht noch eines dieser 600.000-Dollar-Schnäppchen, etwa ein Sprechblasenbild des fidelen Newcomers Terence Koh, liebreizenderweise mit des Künstlers originalem Ejakulat verfertigt? Und wenn man gerade noch überwältigt ist vom eigenen Wohltätersein, junge, arme Künstler zu fördern, folgen prompt unstatthafte Kommentare. »Oh mein Gott, Darling, du sammelst immer noch Jonathan Meese?« Also schleunigst einen Nottermin bei seinem Art Consultant gemacht, um die Coporate Collecting Conception zu modifizieren.
Scheußlich ist auch der Stress beim Kunstmessen-Shopping-Hopping. Kunstkaufdelirium auf der Frieze Art Fair London. Kunstkaufrauschkoller auf der Art Basel. Halali zur Kunsttrophäensammlerjagd: das reinste Schlachtfeld. Es ist eine Qual. Seit’ an Seit’ mit anderen höheren Indus-triellen-Töchtern, Ex-Rennfahrern und weiteren Celebrities eingeklemmt in die Kunstmessemassen. Auf Mahnolo Blahnik-High-Heels aufgebockt, die Blanko-Schecks in der linken Hand, den Blackberry mit der To Buy-Liste in der rechten. Kaufen, bevor alles leergeräumt ist. Und die Konkurrenz wird immer raffinierter. Um die bes-ten Schnäppchen zu machen, verschaffte sich unlängst der Milliardär François Pinault vorab Zugang zur Art Basel – als Handwerker verkleidet.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein: lieber Käufer, hab’ Acht, die Kunstkarawane zieht weiter. Das nächste große Ding heißt »Contemporary Design«: Das sammelt man jetzt! Möbel vor allem, pardon, Wohnskulpturen; demnächst auch Architekurskizzen und Häuser. Letztes Jahr machte es vernehmlich plopp! – und siehe, eine ähnliche Kunstmarkt-Blase explodierender Preise wie bei der Gegenwartskunst erfasst die Designer-Zunft.
Design ist die neue Kunst. Zur hellen Freude von Kunstauktionshäusern wie Christie’s, Sotheby’s oder Phillips de Pury erreichen zeitgenössische Gestaltermöbeln Preise, die jedem IkeaSammler die Tränen in die Augen treiben. Eine Ahnung sagt uns, das könnte auch am Kunstgriff streng limitierter Auflagen liegen. Schon darf man die ungeheure Wirkung von Verknappung bestaunen: ein Konferenztisch von Architekt Frank O. Gehry wurde im Dezember in New York für 140.000 Dollar versteigert. Die »D-Sofa«-Skulptur des Möbeldesigners Ron Arad aus dem Jahr 2003 – eine spiegelnde Edelstahl-Couch, die ausssieht wie ein abtauender Eisbrocken – bezog für 409.000 Dollar ein neues Heim. Und die
bubbelige Alu-Liege »Lockheed Lounge« aus genietetem Aluminiumblech wie von alten Flugzeugen – von Superstar Marc Newson, der bereits 1986 die Auflage seiner Möbel limitierte – fand kürzlich bei Sotheby’s einen neuen Besitzer – für knapp eine Million Dollar.
Bevor hier aber nordrheinwestfälischer Kleinmut laut wird: Was ist schon das New Yorker Kunstmöbelparkett? Die City of Muenster beherbergt in ihren Mauern längst Wohnobjekte wie Ron Arads »D-Sofa«. Es ziert nämlich gemeinsam mit vielen anderen die erquickliche Design-sammlung der dortigen Sparda-Bank (www.stiftungkunstdesign-ms.de). Und falls jetzt ErwerbsGelüste wach werden: Der One-Million-Dollar-Sofa-Kenner kann sich in Köln auf die Kaufbewerberliste einer der ersten deutschen Designkunst-Galerien setzen lassen – Gabrielle Ammanns »Designer’s Gallery« mit ihrer Kollektion von Ron Arad über Zaha Hadid bis Marc Newson (www.designers-gallery.com).
So explosionsartig, wie sich die Veränderung im Designmarkt ausbreitet, müssen wir allerdings mit dem Schlimmsten rechnen. Etwa bei den ganz normalen Möbelfirmen. Die haben sich zwar bereits in der Reim-Kunst einen Namen gemacht; wir erinnern uns mit Rührung an das Einrichtungshaus »Möbel Lutz / kein Verdrutz«. Jetzt aber wollen sie ebenfalls ihre Serien limitieren. Bald muss man sich fragen: Wohnst du noch oder hast du dein Jahrgangs-Billy-Objekt schon an einen Sammler verkauft? Nicht auszudenken, was noch kommt. Es heißt, asiatische Kunstsammler horteten bereits westliche Designerhäuser. Wird man also bald chinesischen Architekturdesign-Fans dabei zusehen, wie sie sich die Gehry-Bauten im Düsseldorfer Hafen gegenseitig aus den Händen reißen? Nur eines wird wohl leider auch in Zukunft nicht limitiert werden. Jener antike Witz, der bei jeder Kölner Möbelmesse in hohen Auflagen gehandelt wird: »Hier gibt’s einen Stuhl, auf den muß man einfach stehen.« – »Warum denn?« – »Na ja, darauf sitzen kann man ja nicht.« //