Mitten in der dicht besiedelten Gegend zwischen Köln und Düsseldorf liegt die fast 1000 Jahre alte Klosteranlage von Knechtsteden. Lange ist es zwar her, als hier noch Mönche lebten und beteten. Eine Oase der Spiritualität ist sie dennoch geblieben – auch dank der zahlreichen Aktivitäten des Spiritanerordens, der seit 1896 hier sein Zuhause hat. Weltlich geht es aber auch zu. Es gibt Künstlerateliers und Kunstwerkstätten. Und seit nunmehr genau 30 Jahren findet jedes Jahr, im September und vor allem in der akustisch überwältigenden Klosterbasilika eines der international feinsten Alte-Musik-Festivals statt. Künstlerische Leiter ist von Beginn an der Dirigent Hermann Max. Und weil er zudem ein angeborenes Musikforscher- und Entdecker-Gen besitzt, kann er seit 1992 regelmäßig auch mit Raritäten und Ausgrabungen trumpfen und begeistern. »Es macht mir einfach Spaß und interessiert mich, gerade da auf die Suche zu gehen, wo sich bislang noch keiner oder nur wenige hingewagt haben«, sagt der Ensemblegründer, diese Trüffelnase unter den Musikarchiv-Stöberern.
Von der Musik des Mittelalters bis zum 19. Jahrhundert reicht da das Klangpanorama. Stets werden dafür namhafte Spezialisten der historischen Aufführungspraxis eingeladen. So wie auch im Jubiläumsjahr, das unter dem Motto »30 Jahre Vielfalt« steht. So widmet sich die Blockflötistin Dorothee Oberlinger mit erlesenem Atem und fulminanter Brillanz einen ganzen Abend lang dem großen Bach – wobei sie von dem Lautenisten Edim Karamazov begleitet wird, der durch seine Zusammenarbeit mit Pop-Baden Sting richtig bekannt geworden ist. In ganz andere Klangregionen taucht man mit dem Prager Vokalensemble Tiburtina ein. Seit 2008 gibt es diese Frauenschola, die sich nach einer der bekanntesten Seherinnen des Mittelalters, nach Sibylla Tiburtina, benannt hat. Und mit überirdischen Stimmen feiert man kostbarste mittelalterliche Gesänge. Dazu gehören Werke von Hildegard von Bingen. Oder es sind – wie jetzt – musikalische Prophezeiungen, die aus dem Umfeld der Prager Karls-Universität des 14. und 15. Jahrhunderts stammen.
Stilistisch sowie von den Besetzungen her geht dagegen der musikalische Hausherr Hermann Max ganz andere Wege. Nachdem er vor vielen Jahren die berühmte »Marienvesper« von Claudio Monteverdi zur Aufführung gebracht hat, ist es nun eine Marienvesper aus der Feder des italienischen Frühbarock-Komponisten Alessandro Melani. Bereits 2014 hatte Max mit seinen beiden Ensembles, mit der Rheinischen Kantorei sowie dem Kleinen Konzert, dieses Werk weltersteingespielt. Die Wirkung dieser Gänsehautmusik für Solisten, Chor und Orchester wird aber nun von der einzigartigen Klangraum-Architektur der Basilika Knechtsteden noch einmal potenziert. Mit einem ähnlichen Coup lassen Max & Co. dann auch die diesjährigen Festtage ausklingen – wenn man im Rahmen eines nachgeholten Beethoven-Geburtstagskonzerts nicht nur einen zweistimmigen Kanon des Jubilars präsentiert, sondern gleich noch die moderne Uraufführung eines »Requiems«, das aus der Feder des Beethoven-Schülers Ferdinand Ries stammt.
Festival Alte Musik Knechtsteden
17. bis 25. September
Kloster Knechtsteden
www.knechtsteden.com