So wird Schwabs Radikalkomödie beinahe zum Klassiker. Regisseur David Bösch, der Klassiker gern zu lustigen Abenden aufpeppt, macht mit Werner Schwabs finster-fröhlicher Familien-Farce »Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos« ernst. Auch wenn weiterhin ein paar Kino-Kürzel auftauchen und Elemente einer Reality-Soap dazu dienen, um der Proll-Familie Kovacic auf die Sprünge eines Comedy- Slapsticks zu helfen, entbietet Bösch dem Drama und dessen sprachlichem Kunst-, Eigen- und Widersinn doch seine Referenz und lässt es mit lustvoll-ehrfürchtigem Elan abschnurren. Nur, dass er das Stück über den Bürgerkrieg im Mietshaus zwischen drei Parteien ziemlich aufdonnert und symbolschwer mit musikalischen Hinweisen zudeckt. Das adventliche »Es ist ein Ros entsprungen« soll ironische Triebe schlagen; das »Dies irae« des Mozart-Requiems flankiert die semantische Groteske mit schwerem Geschütz, so dass das giftige Finale apokalyptisch zum Jüngsten Gericht anschwillt. Da wirkt Böschs Kreuzzug ziemlich überzogen, als habe er zuviel »Indiana Jones« geguckt, wo ihm doch die muntere Gaudi viel mehr liegt. Vor allem Mutter Wurm und ihr Kunst-Krüppel-Sohn Herrmann sind bei Henriette Thimig und Sierk Radzei gnadenlos präzise, prägnant und rabiat im Agitieren ihrer höllischen Hass-Existenz, während die Viererbande Kovavic als sportive Klischee-Idioten nach der Pfeife tanzen und Jutta Wachowiak in der Rolle der Witwe Grollfeuer eine Märchenhexe und Königin der Nacht hintragödisiert und an Schwabs böse Ballade ihr Format nahezu verschwendet. AWI
Tag des Zorns
01. Apr. 2006