Der Sternenhimmel liegt mitten in Köln – ausgerechnet auf der Hohen Straße. Dort drehen und kreisen nachts leuchtende Gestirne. Gebrochen und gespiegelt wird ihr Licht von glänzenden, flachen Edelstahlpaneelen. »Licht und Bewegung« hatte der Zero-Künstler Otto Piene 1966 seine kinetische Arbeit genannt, die so viel poetischer als ihr Titel ist. Denn bei Dunkelheit holt sie das Firmament in die Shopping-Meile, während sie im Sonnenlicht selbst zu einer spiegelnden Preziose wird.
Der Herrenausstatter Theo Wormland hatte für den Bau seiner Kölner Filiale nicht nur den renommierten Architekten Ernst Neufert beauftragt, sondern eben auch Otto Piene für die Fassadengestaltung. Selbstverständlich steht die Fassade längst unter Denkmalschutz. Aber seit Wormland das Gebäude verkaufte, bewegt sich nichts mehr. Nachfolgende Besitzer zeigten kein Bewusstsein für Pienes Kunst. Im Gegenteil: Für sie ist sie eher ein Problem. Denn oberhalb des Erdgeschosses ist der Bau komplett geschlossen – das macht weitere Nutzungen schwierig.
Dabei wäre eine Wiederinbetriebnahme von »Licht und Bewegung« durchaus möglich, ja, nicht einmal aufwendig. »Die Motoren und die Verkabelung sind völlig funktionsfähig«, sagt die Galeristin Martina Kaiser, die sich mit der ehemaligen Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner und dem Architekturbüro Pannhausen + Lindener seit Jahren für den Erhalt engagiert. Lediglich die Leuchtmittel müssten auf LED umgestellt werden, um den Stromverbrauch an moderne Standards anzupassen. Die geschätzten Kosten von etwa 100.000 Euro ließen sich wohl zu einem großen Teil durch Mäzene und Kunstsammler aufbringen. Bleibt nur die Frage, was der Immobilienbesitzer will. Gegen Denkmalschutz hilft manchmal auch einfach, den Verfall abzuwarten. Martina Kaiser ist zumindest schon so weit, dass sie sich vorstellen könnte, das Kunstwerk zu demontieren und an anderer Stelle zu installieren. Damit wäre allerdings die einzigartige Verbindung von Konsum und (poetischer) Kunst verloren.
Während Otto Piene ins Universum blickt, gibt man sich in Essen mit glitzernden Pailletten auf einem Rock zufrieden. Das Shoppingcenter »Limbecker Platz« wurde im Entwurfsbüro der Projektentwickler und Betreiber ECE geplant. Allein für die Fassade gab es einen Wettbewerb. Bei dieser Bauaufgabe häufige Praxis, um den ansonsten rein auf effizienten Konsum geplanten Gebäuden wenigstens nach außen den Anschein von architektonischer Eigenständigkeit zu verleihen. In Essen gewann 2005 das renommierte Büro HENN Architekten mit einem Entwurf, der die Fassade als »Kleid des Gebäudes«, als übergestreifte Deko, inszeniert. Die trist grauen Metallpaneele bilden über den Eingängen eine aufgebogene Linie wie ein hochschwingender Rocksaum. Unregelmäßig auf die Hülle gesetzt sind verspiegelte Halbkugeln, die an Pailletten erinnern sollen. Nach Einbruch der Dunkelheit leuchten sie in wechselnden Farbmustern und nehmen so der geschlossenen Fassade etwas von ihrer Konservendosenhaftigkeit.
Wie so oft, wurde bei dem Entwurf allerdings übersehen, dass in der Stadt und besonders an Shoppingcentern noch viel mehr leuchtet: Logos und Schriftzüge von Marken, Straßenlaternen und der Name des Centers kannibalisieren nun das Konzept der Lichtfassade. Das hätte ein erfahrenes Architekturbüro mitdenken können, wenn nicht gar müssen. Nicht anzulasten ist HENN Architekten allerdings, dass unter dem Shoppingcenter selbst nicht nur der namengebende Platz verschwunden ist, sondern sich das wie ein UFO in die umgebenden Strukturen geplumpste Volumenmonster nicht im geringsten für historische Achsen, Blicke oder sonst eine sinnvolle stadtplanerische Einbindung interessiert.