Wenn im Weißhaus-Kino der Werbeblock beginnt, gehen die Priebs langsam zur Tür. Denn bis zum Filmstart langt die Zeit. Immer. Es sind ja nur ein paar Schritte. Einmal den schmalen Fußgängerweg entlang, bis zur Luxemburger Straße, die vom Barbarossaplatz bis nach Hürth reicht und dort, wo die Priebs wohnen, am schönsten ist. Denn hier wird sie zu einer Allee, gesäumt von Läden und Cafés. »Sülz hat viele Bäume und Akademiker«, hat kürzlich der Kölner Stadt-Anzeiger geschrieben und damit seinen Lesern zu erklären versucht, warum der Stadtteil so beliebt ist. Warum hier, statistisch gesehen, 7091 Einwohner auf einem Quadratkilometer wohnen. Und ein Quadratmeter Wohnfläche durchschnittlich 11,98 Euro Miete kosten soll. Kalt, versteht sich. Denn Sülz ist das drittteuerste Viertel von Köln.
»Mit dem Auto zur Arbeit? Undenkbar. Danach würde man niemals wieder einen Parkplatz finden.«
Markus Priebs
Es ist Dienstagnachmittag und die Straßenbahnlinie 18 so überfüllt, dass auf dem Weg zur Familie Priebs nur ein Platz zum Stehen bleibt. Kein Wunder also, dass Markus Priebs immer mit dem Fahrrad ins Büro fährt. Mit der Bahn? Zu dieser Zeit eher unangenehm. Mit dem Auto? Undenkbar. Danach würde man niemals wieder einen Parkplatz finden. Seit 2011 wohnt Tina Priebs nun hier – und ihr Mann? »Schon immer«, sagt der 40-jährige Investment-Berater und lacht. Denn tatsächlich ist er in der Hummelsbergstraße 7 schon aufgewachsen, hatte als Student mit Freunden unterm Dach erst eine WG gegründet und war dann mit Tina in die Erdgeschosswohnung neben seine Eltern gezogen. 79 Quadratmeter für 1000 Euro warm. Günstig geschnitten. Gut gelegen. Nicht zu teuer. Und seit Jahren viel zu klein. Denn die Priebs haben drei Kinder. Levin kam 2015 zur Welt, Justus 2013, der kleine Toni Mitte Juni.
»Nach dem zweiten Kind haben wir angefangen, aktiv eine größere Wohnung zu suchen«, erzählt die 36-jährige Grundschullehrerin. Das Paar abonnierte die Newsletter von Immobilienportalen und schaute sich Alternativen an – die keine waren, weil sich alles als zu teuer, als zu klein oder als zu sanierungsbedürftig entpuppte. In Deutschland steigen die Mieten durchschnittlich um zwei Prozent im Jahr – in Sülz sollen es zuletzt um die 40 Prozent gewesen sein.
Dabei lebten die Priebs in den »Wolfschen Wohnblöcken« lange Zeit regelrecht privilegiert: Gebaut hatte die schönen Mehrfamilienhäuser aus Backstein eine familiengeführte Wohnungsgesellschaft aus Frechen, die über Jahrzehnte moderate Mieten garantierte – ehe ein Investor anfing, die Wohnungen reihenweise aufzukaufen. Seitdem steigen die Mieten konstant. Wer auszieht, macht Platz für eine Kernsanierung, die weitere Aufschläge nach sich zieht. »Wer noch alte Mietverträge hat, kommt gut zurecht und will eigentlich gerne bleiben«, sagt Markus Priebs. Allerdings wohnten immer mehr ältere Leute in zum Teil riesigen Wohnungen, weil sie sich keine neue, kleinere, womöglich seniorengerechte leisten könnten. »Wer heute eine neue Wohnung mit drei Zimmern sucht, kann so etwas nur noch als WG finanzieren, aber nicht als Familie.« Schon für ein weiteres Zimmer hätten sie locker 500 Euro mehr einplanen müssen.
»Eine neue Doppelhaushälfte in Köln kostet schnell durchschnittlich 600.000 Euro – in Trendvierteln wie Sülz auch mal 300.000 Euro mehr.«
Tina Priebs
Die Frage also war: Zahlen oder gehen? Eine neue Doppelhaushälfte in Köln kostet schnell durchschnittlich 600.000 Euro – in Trendvierteln wie Sülz auch mal 300.000 Euro mehr. »So haben wir uns schließlich in die Kartei der Stadt Pulheim aufnehmen lassen«, sagt Tina Priebs. 3000 Exposés für Baugrundstücke hätte die kleine Kommune im Kölner Speckgürtel an Familien geschickt. Für 90 Baugrundstücke zwischen 287 und 700 Quadratmetern, die man nicht hätte einfach kaufen können – man musste sich auf sie bewerben. Allerdings im Fall einer Doppelhaushälfte, wie sie sich die Priebs wünschten, nicht allein, sondern mit einer zweiten Familie. Doch die musste erstmal gefunden werden.
Um das zu erleichtern, stellte die Stadt Pulheim Listen mit Adressen zusammen. Verzeichnet waren darauf 40 Familien, die die Priebs nach und nach anschrieben und fragten: Wollt ihr mit uns bauen? Wie viele Zimmer wünscht ihr euch? Einen Keller oder nicht? So bekamen sie schließlich den Zuschlag für ein Baugrundstück in »Feldrand- und Südhanglage« – mit fremden Leuten. »Sympathisch sind wir uns natürlich schon«, räumt Tina Priebs ein. 112.000 Euro hat ihr 287 Quadratmeter großes Grundstück nun gekostet. »Inklusive Baunebenkosten landen wir dann wohl bei 430.000 Euro.« Vergleichsweise günstig. Dafür ist vorgeschrieben, dass das neue Haus ein Satteldach haben muss. Es darf sieben Meter breit, zwölf Meter lang und bis zu 170 Quadratmeter groß werden – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Und auch wenn die S-Bahn von Pulheim bis zum Kölner Hauptbahnhof nur zehn Minuten fährt – zu Fuß in die Spätvorstellung geht es dann künftig wohl nicht mehr so leicht. Dafür bekommt bald jedes Kind sein eigenes Zimmer. Im Eigenheim am Rande der Stadt.