TEXT: INGO JUGKNAT
Internet und MP3 haben die Musikwelt entzaubert. Nirgendwo gibt es mehr was zum Anfassen, zum Bestaunen, zum Sammeln, ach je. Vertreter dieser Meinung möchte man gerne auf die Homepage von »Denovali Records« schicken. Wer beim Bochumer Plattenlabel bestellt, bekommt Alben in handgefertigten Holzboxen, Vinyl in fünf verschiedenen Farben, und wenn es besonders gut läuft, sogar eine Packung mit schwedischem Kaffee, von der Band Switchblade selbst zusammengestellt. Passend zum Drumherum, ist auch die dazu gehörige Musik keine Massenware. Viele Denovali-Platten sind instrumental, manche düster, aber nicht im Sinne von Gothic oder Metal. Am anderen Ende des Spektrums warten Jazz-Bands oder Pianisten wie Carlos Cipa, die im Grunde Kammermusik spielen. Mit diesem eklektischen Mix hat es Denovali binnen weniger Jahre zu einem renommierten Label für experimentelle Musik gebracht, und das nicht nur in Deutschland.
Den besten Einblick in den Denovali-Kosmos bekommt man beim jährlichen Showcase in Essen. Die dreitägige Konzertreihe nennt sich »Swingfest« und streift so ziemlich jede Musikrichtung – außer Swing. »Der Name ist zugegeben etwas irreführend«, räumt Labelchef Timo Alterauge ein. »Er basiert auf dem Design der ersten zwei Ausgaben des Festivals. Mein Labelkollege Thomas hatte einen Jazztrompeter der 30er Jahre abgezeichnet. Das Programm des ersten Festivals war aber eher schwer zugängliche Musik – wir mochten ›Swingfest‹ als ironischen Gegenpunkt und sind einfach bei dem Namen geblieben.«
Seit der Premiere im Jahr 2007 ist das Festival stetig gewachsen. Zwischen 400 und 600 Fans zieht die Veranstaltung in der Essener Weststadthalle inzwischen an. Das Line-up ist in diesem Jahr internationaler denn je. Da wäre zum Beispiel die labeleigene Instrumentalband Heirs. Wer mit melodischem Postrock à la Mogwai oder This Will Destroy You etwas anfangen kann, ist bei den Australiern richtig. Ruhiger wird es beim amerikanischen Duo A Winged Victory for the Sullen, das sich auf cineastische Kammermusik versteht. Für Oneirogen ist der Auftritt beim Swingfest die einzige Europa-Show in diesem Jahr überhaupt. Die New Yorker spielen einen verzerrten Noise-Rock, der stellenweise an Bands wie Health oder No Age erinnert.
Nicht, dass das Festival nur den Gitarren gehören würde. Auch im elek-tronischen Bereich treten ein paar Hochkaräter auf. »Wirklich toll ist, dass der Auftritt des Moritz von Oswald Trios geklappt hat«, erzählt Timo Alterauge. »Alle drei Mitglieder sind seit Jahrzehnten Garanten für hervorragende elektronische Musik – das Konzert wird sicherlich ein Highlight. Aber auch Philip Jeck, der ebenfalls seit langer Zeit mit Sounds experimentiert, ist eine wirkliche Bereicherung.«
Denovali Swingfest, 5. bis 7. Oktober, Essen, Weststadthalle, www.denovali.com/swingfest