// Was für bescheuerte Szenen! Welch schriller, skurriler Klamauk! Skelette, die steppen. Kühe, die fliegen. Kadaver, Exkremente und hölzerne Kaninchen, die einfach vom Himmel fallen. Und dann Ritter, die drei Köpfe haben, mit Regenschirmen tanzen und liebend gern Dosenfleisch fressen. Offenbar sind jene britischen Heinis, die da unter Getöse durch das schottische Hochland ziehen und den mysteriösen Gral suchen, alle beknackt – schlicht gralaballa. Diener Patsy beispielsweise hat einen Job als Hengst, mag aber keinen Hafer und klappert ständig mit Kokosnüssen, um Pferdegetrappel vorzutäuschen. Oder der tapfere Sir Lanzelot, der fast eine komplette Hochzeitsgesellschaft abmurkst. Oder der sonst so schämige Sir Galahad, der in der Vorfreude auf Oralsex den Mund kaum mehr zukriegt. Schließlich King Arthur selbst, König der Briten und Herr der legendären Tafelrunde, der zwar nicht bis drei zählen, aber die heilige Handgranate von Antiochia mit majestätischem Schwung zünden kann. Keine Frage: Die ganze Story hat einen Knall.
Der tut jetzt schon seit über 30 Jahren weltweit seine Wirkung. Mit einem Budget von rund 450.000 Britischen Pfund – inklusive der Bareinlagen von Rock-Vips wie Led Zeppelin, Genesis und Pink Floyd – starteten 1974 sechs englische Theaterfreaks das Unternehmen »Holy Grail« und drehten dabei landeseigenen und folglich herrlich verschrobenen Schwachsinn durch ihre Kameras. Bis heute gilt ihre eineinhalbstündige Kino-Comedy »Monty Python and the Holy Grail« als frech-frivole Bravour-Parodie auf das Robenrauschen und Degenfuchteln in Hollywoods cinemascopischen Historienschinken. Abendfüllend nach der Parole: Sketch as sketch can. Eine Schrulle zum Schlapplachen wurde selbstredend auch die eingedeutschte Version unter dem Titel »Die Ritter der Kokosnuss«, längst ein Kultstück aus Absurdistan.
Nun, ab 25. Januar, wird diese Klamotte speziell für Spaßvögel deutscher Zunge und Gefühlslage noch einmal aufbereitet und angerichtet: Dann nämlich lädt König Artus im Kölner Musical Dom zum Comeback – diesmal in einer um Songs und Sound bereicherten Aufmachung als Musical, und das heißt seltsamerweise »Spamalot«.
Also mit »Spamalot« kam das so. 1937 brachte die Hormel Foods Corporation im amerikanischen Austin/Minnesota ein Dosenfleisch auf den Markt, das »Hormel Spiced Ham« – abgekürzt »Spam« – genannt und schnell Bestseller wurde. Der Sattmacher spielte in einem der 45 Sketche die Hauptrolle, mit denen das Fernsehen der BBC 1969 unter dem Motto »Monty Python’s Flying Circus« den Ruhm der sechs Komiker begründete. In ihrem Mini-Gag wurde besagte Fleischmarke gleich 132mal genannt und besungen, auch die Ritter der Artusrunde lobten später das Futtermittel in ihrem Film. Damit war der vermeintliche Leckerbissen in aller Munde. Mehr noch: »Spam« wurde zum Inbegriff von massenhaft versendeten Werbe-Mails und Werbe-Müll; zusammen mit den letzten drei Buchstaben von »Camelot«, der sagenhaften Artus-Festung, war der Erfolgscode der Musical-Szene komplett: »We eat ham and jam and Spam a lot«, heißt da ein Refrain – genau: »Spam-a-lot«.
Als »Spamalot« läuft demnächst in jenem blauen Theater hinterm Kölner Dom die Narretei ab mit tausend kleinen Gags und Frotzeleien, mit viel Tingel und Tangel, Cheerleaders im Glitzer-Look und schwulem Glamour-Pop. Hemmungslos surft die Partitur dazu zwischen kessen Hits, kandiertem Schmus und philharmonischem Vollfett, und viele schöne nackte Beine fliegen, tanzen, steppen und rocken. Bevor noch in Köln die Kokosnüsse zu klacken anfangen, steht der Hit des Abends schon fest: Der Titel »Always Look On The Bright Side Of Life«, dem zweiten großen Pythons-Erfolg »Das Leben des Brian« entnommen, ist längst globaler Evergreen und gibt dem Publikum allüberall einen Grund, lauthals mitzusingen, übrigens durchweg in englischem O-Ton.
Das Musical ist das Werk von Eric Idle und der ein Tausendsassa des komisch-skurrilen Theaters. Von allem Pythons-Anfang an war er als Gründungsmitglied dabei: textete, schauspielerte, arrangierte, synchronisierte, kompilierte. Es gibt keine Pythons-Nummer, bei der er nicht mitgemischt hätte. Insider halten ihn für den musikalischsten im Sextett. Auch »The Bright Side Of Life« geht auf sein Konto. Idle selbst hat den Ohrwurm mit hellem Tremolo gesungen, als er am Ende des Films auf Golgatha am Kreuz hing, und auf diese herrlich lästerliche Weise einen Welthit geboren: Mariners machten sich mit dem Stück später im Falkland- und im Golfkrieg Mut, Fußballfans grölen es heute noch in den Stadien, selbst bei Beerdigungen erfreut sich der lebenslustige Song schwarzer Beliebtheit.
Kein Wunder bei soviel Resonanz, dass Idle in den 90er Jahren unermüdlich eine Wiedervereinigung des getrennten Pythons-Teams versuchte, nicht zuletzt aus Eigennutz. Denn zwischen den Herren gab es die feste Abrede, dass jede Aus-, Wieder- oder Weiterverwertung von Pythons-Material nur einstimmig beschlossen und verfügt werden dürfe. Etwaige Alleingänge waren somit zumindest erschwert.
Deshalb machte sich der klevere Idle zunächst klammheimlich daran, den nach seinen Worten »albernsten Film, der je gedreht wurde«, Stück für Stück in ein Musical umzuformen und den »Rittern der Kokusnuss« einen bühnentauglichen Newlook zu verpassen. Vier Jahre lang baute er aus der ursprünglichen Filmvorlage, alten TV-Nummern und neuen Einfällen einen überzeugenden Plot und erhielt ohne Zögern das einstimmige Ja-Wort der restlichen Pythons. »Spamalot« war reif für die Endmontage.
Idles Buch und Gesangstexte erwiesen sich dabei, den Ansprüchen und Eigenheiten des Genres entsprechend, als durchweg locker-flockige Dichtkunst, mal hintersinnig, vorlaut oder wunderbar ungezogen, dann wieder platt oder prall von gefühligem Schnulz. Die »Ritter der Kokosnuss«, urteilte Idle, seien als Filmtypen seinerzeit »völlig unsentimental« gewesen; bei »Spamalot« hingegen sollten »die Leute das Theater in bester Stimmung verlassen«. Er wolle dem Publikum mit den 20 Musiktiteln des Zweiakters einen »Wohlfühlabend« bereiten, voll Burgen, Bergen und Bäumen auf Bühne und Kulissen samt Las-Vegas-Geflimmer.
Bei der Broadway-Premiere im März 2005 kam »Spamalot« glänzend an. New York kicherte. Dieses Musical, schrieb The Sunday Times, erhebe »Albernheit zur Kunstform«. Die rechnete sich sogar: Schon nach sieben Monaten hatte die Aufführung ihre Investition von 13 Millionen Dollar wieder eingespielt. Rekord! Noch im Premierenjahr erhielt die Show 14 Nominierungen für den Tony Award, Amerikas Theater-Oscar; das Cast-Album wurde mit einem Grammy geehrt. Im Oktober 2006 kam »Spamalot« dann in London heraus, im April 2007 in Las Vegas.
Jetzt ist Köln dran, 25.000 Karten waren fix verkauft, und in Köln ist erst mal Karneval. In der Pappnasen-Stimmung könnte sich bewahrheiten, was Thomas Kraut, der Betreiber des Musical Doms, kommen sieht: dass »die Besucher nach den Vorstellungen vor Lachen nicht mehr in den Schlaf finden können«. Kleiner Nachschlag zum Dosenfleisch: Eric Idle isst seit 1977 kein Fleisch mehr und hat »Spam« noch nie probiert. //
Musical Dome, Köln, Voraufführungen ab 15. Januar 2009; Premiere: 25. Januar; bis 28. Juni 2009; www.spamalot.de