Die sechste Ausgabe des Mülheimer Hundertpro Festivals präsentiert neun Produktionen, in denen Wirkliches und Widersprüchliches zum Vorschein kommen. Tanz und Performance setzen im Ringlokschuppen Ruhr vornehmlich queere Akzente.
Als Haus für zeitgenössisches Theater, Performance und Tanz ist der Ringlokschuppen Ruhr der ideale Ort für ein Festival, das sich einmischt und zu Partizipation einlädt. Bei der kommenden Ausgabe, die am 31. August mit einem Bühnenmarathon aufwartet, hatte das Festivalteam die Qual der Wahl: Unter 270 Bewerbungen wurden schließlich neun Produktionen ausgewählt, die zum allgemeinen Motto »Wahrheit & Widerspruch, Wirklichkeiten & Werte« individuelle Impulse beisteuern.
So wie der Choreograf Paul Damiano. Der Tänzer aus Nairobi, Kenia, der mit Afrohouse- und Krump-Inszenierungen hervorgetreten ist, zitiert mit seinem Stück »Haba na Haba« ein Swahili-Sprichwort, das vor allem kleinen Kindern beigebracht wird, um sie zu ermutigen, das Leben Schritt für Schritt zu bewältigen. Seine Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit versteht Damiano als Auslöser, der das Publikum auf die eigene Lebensgeschichte zurückblicken lässt.
Der Blaue Pass
Dass der Pass eines der wichtigsten Dokumente überhaupt ist, ja über das ganze Schicksal bestimmen kann, weiß Rymon Zacharei aus eigener Erfahrung. Geboren 1985 in Bagdad, lebt der irakische Tänzer und Choreograf heute in Düsseldorf. Beim Hundertpro Festival ist Zacharei mit einem Stück vertreten, das szenisch vermittelt, was der blaue Pass für Geflüchtete in Deutschland bedeutet.
Auf den biblischen Mythos der sündigen Stadt Babylon bezieht sich Jäckie Rydz mit einer Performance, in deren Verlauf drei Trans-Performer*innen die Möglichkeiten von queerer Reproduktion auf der Bühne austesten. Dabei erproben sie sich als Mutter, Hure und Braut. Um Queerness geht es auch in Kumar Muniandys Theaterproduktion »Second Class Queer« und in Carla Wyrschs Physical-Theatre-Stück »Impatients«.
Rollen, die andere einem zuweisen, Verkleidungen, in die man selbst schlüpft, individuelle und gesellschaftliche Maskierungen und Metamorphosen – solche Phänomene brennen den beim Hundertpro Festival auftretenden Akteur*innen auf den Nägeln. Marco Merendas Performance »Frutta Fresca« ist dafür ein gutes Beispiel. Der in Hamburg lebende deutsch-italienische Performancekünstler verfremdet kulturelle Stereotype, die rund um Italien in Umlauf sind. Als »hyper-italienische« Drag-Gestalt macht sich Merenda auf die Suche nach dem authentischen Leben. Und findet am Ende sein wahres Ich.
Hundertpro Festival: »Wahrheit & Widerspruch, Wirklichkeiten & Werte«
Ringlokschuppen Ruhr, Mülheim an der Ruhr
31. August