Im Brotlaib eines versoffenen Barbiers findet sich eines Morgens: eine Nase. Ihr Besitzer, Kollegienassessor Platon Kusmitsch Kowaljow, hat sie schon verzweifelt in ganz Petersburg gesucht. Als hoch dekorierter Staatsrat taucht das Riechorgan auf und wird vom Volk verprügelt. Als die Nase wieder in Kowaljows Händen landet, weigert sie sich, im Gesicht zu halten: Beschuldigungen, Massenhysterie, Medienpanik sind die Folge. Wenn man nicht wüsste, dass diese Persiflage auf menschliche Eitelkeiten und eine Amok laufende Gesellschaft aus der Feder von Nikolai Gogol stammt, würde man sie vielleicht einem völlig enthemmten Wladimir Majakowski zuschreiben. Dmitri Schostakowitsch jedenfalls war begeistert vom Ludergeruch der Groteske aus morallosen Individuen und kollektivem Wahnsinn, die ihn mit 22 Jahren zu seiner ersten Oper inspirierte. Ihren tönenden Furor aus vulgären Zitatschnipseln, tosendem Großstadtlärm und aggressiven Dissonanzen entfacht Stefan Soltesz mit den Essener Philharmonikern knochenhart und kompromisslos präzise – und nicht ohne totenbleiche Vorahnung auf das, was der kulturellen Aufbruchsphase in der jungen Sowjetunion folgte.
Von der Bedrohung der kurz erblühenden Vielfalt durch die stalinistische Eisenhand ist in Johannes Schaafs Inszenierung nur wenig zu spüren. Die Klischees der frührevolutionären Kunst feiern fröhliche, aber szenisch papierene Urständ: Geometrische Bühnensegmente à la Malewitsch (Hans Dieter Schaal) stehen mehr im Wege, als dass sie dynamisch genutzt würden. Die bunt gewürfelte Gesellschaft strampelt sich auf Fahr- und Motorrädern oder beim Pingpong-Spiel ab, bleibt aber zumeist heiter-träge Menschenkulisse ohne Bedrohungspotenzial. Immerhin gibt der Bariton Wolfgang Koch einen prächtigen Kowaljow mit reicher Ausdruckspalette, dem ein Heer mehr oder weniger disponierter Solisten (vor allem bei den hohen Tenören haperte es) sekundieren. STRUCK-SCHLOEN