TEXT: ANDREAS WILINK
Am Ende macht sich das Käthchen davon. Will nichts wissen von ihrem Un-Wetter, von Hochzeit, dem albernen Kaiser-Vater in Rot und womöglich nicht mal von Gott und dessen Cherub. Man kann das Mädchen verstehen. Aber nicht so, wie Stefan Bachmann es versteht, der diesen Abgang inszeniert, als habe Kleist schon einen Stich ins Ibsen-hafte und Käthchen hieße Frau Helmer. Aber es bleibt behauptet, auch wenn Julia Riedler in dieser verkichernden Aufführung ganz »modern« spielt, als wolle sie im Auto von Thelma und Louise mitgenommen werden. Was nicht ihr Fehler, sondern der ihres Regisseurs ist. Bachmann verhöhnt die Konvention, das Märchen, das Ritterspiel, das Pathos, den Glauben und die Liebe, da bleibt nicht mehr viel außer ein paar spektakelnden, scheppernden, sich an Szenenanweisungen blöd abschuftenden, Choreografien wie fürs Michael-Mann-Kino nachstellenden Viertel-Rittern von der Kokosnuss in einem Ironie-Theater, das so alt ist, wie Bachmann noch gar nicht aussieht.
Die Bühne von Olaf Altmann im Kölner Schauspiel-Depot ist eine große Rutsche, die die Welle macht. Leider nicht »Breaking the Waves«, das wäre was gewesen, aber mit Emotion ist Ebbe. Es sei denn, Birgit Walter stößt als mondäne Furie Kunigunde von Thurneck, der man mehr Möglichkeiten gegönnt hätte, ihre Verwünschung aus. Man veranstaltet eine Rutsch- und Hängepartie, schon während des Femegerichts, pompös mit zehn Richtern besetzt (aufgeputzt wie für die Porträtsitzung bei einem Alten Niederländer), von denen einige dem Käthchen von Heilbronn mit den Händen helfen beim Herabhangeln. Fast ein Sturz in Leere, kopfüber in die helle Umnachtung, ohne Grund und Boden und – der Erdanziehung scheinbar enthoben – in die absolute Gewissheit ihres Fühlens. Aber das darf nur Bild sein. Ist eine Lüge. Denn für die blasslila Figur in hellgrünen Strümpfen wird es negiert. Sie geht eher gymnastisch kehlig als träumerisch durch die Rolle. Und ihr Graf? Bruno Cathomas, plump parodistisch geharnischt im Adidas-Gothic-Style, ist ein burlesker, schwuchtelig sich in den Hüften wiegender, (aus uneingestandener Liebe) hysterisch überschnappend kieksender Dunkelmann. Ein einziger Moment lohnt das Hinsehen, wenn Cathomas das schlafende Käthchen mit Kreide bestäubt und sich, als sie sich aus ihrem Umriss erhebt, an diesen schmiegt und sich in dem weiß mehligen Pulver wälzt. Wem immer der Premieren-Jubel galt, Kleist kann er nicht gegolten haben.