Sie habe die »stählerne Stille« vernommen, als sie auf einer ersten Tour die Areale der Industriekultur besichtigt habe, sagte Barbara Frey bei ihrer Vorstellung im Düsseldorfer Landtag. Von 2021 bis 2023 wird sie die Intendanz der Ruhrtriennale übernehmen. Bis soeben leitete sie in dieser Funktion, zehn Jahre lang, das Schauspielhaus Zürich. Die 1963 in Basel geborene Frey, die sich auch zur Schlagzeugerin ausbildete, inszenierte am Sprech- wie auch am Musiktheater, darunter in Berlin, Hamburg, München und Salzburg. Demnächst etwa bereitet sie in Basel Mozarts »Figaro« vor und in Stuttgart Mascagnis »Cavalleria Rusticana« in Kombination mit einem zeitgenössischen Werk von Salvatore Sciarrino.
Nach der aktuell amtierenden Intendantin, der Dramaturgin Stefanie Carp, fiel die »in großer Einmütigkeit« (so die für Kultur zuständige Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen) getroffene Entscheidung auf eine Regie führende Intendantin, wie es zuvor etwa auch bei Johan Simons (2015 bis 2017) war. Das stellt eine lesbare Signatur während der drei Festival-Spielzeiten sicher. Für die NRW-Landesregierung und den Aufsichtsrat der Kultur Ruhr GmbH mag das auch Reaktion auf die dezidiert politische Handschrift von Carp in ihrer herben Programmatik sein. Ebenso, dass bei den Kandidaturen ein Augenmerk auf »Teamfähigkeit, Führungskompetenz und Kooperationsbereitschaft« gerichtet wurde.
Die Industriekultur? »Zeitkapseln der Künste«
Sich faszinieren zu lassen vom Besonderen – Gewaltigen, vielleicht auch Gewalttätigen – der Orte, Räume und Hallen in Bochum, Duisburg, Essen und Gladbeck ist Grundvoraussetzung bei der Ruhrtriennale neben einer Offenheit für das Zusammenspiel der Künste: für das, was Gerard Mortier »Kreationen« genannt hat. Sie würde »immer noch Zukunft spüren auf den Geländen, aber auch deren bleierne Vergangenheit«, so Frey. Die Relikte der Industriekultur seien wie »Zeitkapseln der Künste«. In ihnen ließen sich die Zeiten »wie Zwiebelschichten« ablösen.
Auf den ersten Blick könnte es wie eine konventionelle Wahl aussehen. Mit Frey, die ins Revier nach Bochum ziehen will, ist jemand bestellt, deren Name sich nicht zuallererst mit dem Avantgarde-Charakter der Künste und Kunstformen verbindet. Dem Kanon, dem Traditionsbewussten und klassischen Formaten steht sie nicht feindselig gegenüber – und hat doch zugleich ein Ohr für den Klang der Zeit, für ihren Puls. »Mich interessieren Energien«, so Frey.
Für konkrete Pläne und Absichten ist es noch zu früh. Aber heraushören lässt sich, dass Barbara Frey nicht ausweicht vor dem Kanon einer 2500-jährigen Theatergeschichte, die bis zur Gegenwart reicht, weder die Volumen und Dimensionen der Räume scheut noch die geistige Kraft von Stoffen und Themen. Was nicht zuletzt an Mortier, den Gründungs-Intendanten der Ruhrtriennale, anschließen würde, der dem Landesfestival als DNA die Idee der Transzendenz eingeschrieben hat.