TEXT: INGO JUKNAT
Das Wort »Comeback« hört Simon den Hartog nicht gerne. Verständlich, wenn man bedenkt, was man sonst mit Comeback verbindet: alte Musiker, die es »noch mal wissen wollen« oder Geld brauchen. Oder beides. Simon den Hartog ist 24 Jahre alt, seine Band war eigentlich nie weg. Dass man trotzdem das Gefühl hat, die Kilians hätten lange pausiert, liegt an ihrer Geschichte. 2007 kam das erste Album heraus, da war das Gros der Bandmitglieder gerade volljährig. Die Entstehung von »Kill the Kilians« klingt wie ein Witz: Schließen sich fünf Teenager in einem Proberaum in Dinslaken ein und kommen mit 13 Songs zwischen Strokes und Mando Diao wieder raus. So selbstbewusst klang Pop aus Deutschland lange nicht.
Das fanden viele. Universal wedelte mit einem Plattenvertrag, Thees Uhlmanns Agentur Grandhotel van Cleef organisierte Touren, der WDR nominierte die Kilians für die »1Live Krone«, Coldplay, Mando Diao und Pete Doherty ließen sie im Vorprogramm spielen. Vielleicht war das Ganze zu gut, um wahr zu sein.
Tatsächlich folgte nach dem Kickstart eine gewisse Ernüchterung. Das zweite Album bei Universal verkaufte sich nicht mehr so gut, dann ging es einige Jahre überhaupt nicht weiter. »Wir waren in einem Schwebezustand und haben erst Anfang 2011 erfahren, dass die Plattenfirma mit uns kein weiteres Album machen will«, erzählt den Hartog. »Es war ein großes Ärgernis, dass wir soviel Zeit verloren haben.«
Inzwischen sind die Kilian zurück bei den Wurzeln, bei Grandhotel van Cleef – zwischen Kettcar, Tomte und anderen deutschen Indie-Bands aus der ersten Reihe. Vielleicht hätten den Hartog & Co. hier gleich landen sollen. Die Arbeit am neuen Album war jedenfalls eine ganz neue Erfahrung: »Niemand hat uns reingeredet, niemand hat gefragt: ›Wo ist die Radiosingle?‹ Durch das Vertrauensverhältnis zum Label hat sich die ganze Produktion angenehm unaufgeregt angefühlt.«
Potenzielle Radio-Singles hat »Lines You Should Not Cross« natürlich trotzdem. Eine ganze Menge sogar. Sie spiegeln die neue Leichtigkeit, unter der sie entstanden sind. Das sommerliche »In it for the Show« sollte man im Klappstuhl am Strand hören, eine ähnliche Stimmung beschwören auch »Never Go to Work Again« oder »Coconut«. »Dirty Love« wiederum, die erste Single, ist ein Kilians-Hit in der alten Schule – grobkörnig und melodisch zugleich. Der Text ist auch auf die eigene Band gemünzt »Es ist ja so«, sagt den Hartog, »die Liebe zur Musik ist ein zweischneidiges Schwert, sie macht Spaß, sie macht glücklich, aber das Drumherum ist manchmal auch ein dreckiges, menschenfressendes Geschäft.« Die Kilians haben ihren Teil davon abbekommen.
Kilians: »Lines You Should Not Cross«, Grand Hotel van Cleef/Indigo. www.the-kilians.de