Die Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg trägt seit 1985 seinen Namen: Konrad Wolf (1925-1982). DDR-Adel. Er ist Sohn des jüdischen Arztes und Schriftstellers Friedrich Wolf und jüngerer Bruder von Markus Wolf, dem Geheimdienstchef der DDR, der unter anderem verantwortlich war für den Spion im Kanzleramt, Günter Guillaume. Der 17-jährige Konrad, der mit seiner Familie in die Sowjetunion emigriert war, nahm als Soldat der Roten Armee an der Befreiung Warschaus und der Eroberung von Berlin teil. 1949 begann er ein Regiestudium in Moskau, beeinflusst vom sowjetischen Kino etwa des Sergej Eisenstein, dem er in seiner cinécriture verpflichtet blieb. Als Kultur-Funktionär der DDR war er unter anderem Präsident der Akademie der Künste und kurze Zeit Mitglied des ZK, loyal gegenüber der SED – und ein freier Geist.
Beinahe fahrlässig, dass wir erst jetzt in dieser Serie (abgesehen von Thomas Brasch, allerdings mit seinem in Westdeutschland gedrehten »Engel aus Eisen«) einen Filmkünstler aus der DDR vorstellen. Mindestens drei von Wolfs Defa-Filmen verdienen es: »Der geteilte Himmel«, »Ich war Neunzehn« und »Solo Sunny« von 1980. Die letzteren wurden vom Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase mitgeschrieben, einem der klügsten, genauesten und unprätentiösesten Filmkünstler in Deutschland, gleich, ob Ost oder West.
»Ich war Neunzehn« (1968) ist autobiografisch grundiert, tagebuchartig angelegt, von lakonischem Grundton getragen und in elliptischer Erzählform konstruiert. Ein Stationendrama über das Erwachsenwerden und die Identitätsfindung. Gregor Hecker (Jaecki Schwarz) kommt im April 1945 mit Stalins 48. Armee zurück in die fremde Heimat und wird zum Kommandanten eines kleinen Orts ernannt; die Befreiung des KZ Sachsenhausen fand soeben statt, es wird über Immanuel Kant diskutiert und die Übergabe der Zitadelle Spandau verhandelt, während versprengte Einheiten der Wehrmacht und marodierende SS-Truppen noch unterwegs sind. Das Private ist immer auch politisch. Gregors direkte Erfahrungen und ihm abverlangte moralische Entscheidungen angesichts der Deutschen und ihrer kontaminierten Gesinnung, von Schuld, Rachegefühl, Verbrechen, Schicksalsgewalt übersteigen das, was ein junger Mann eigentlich zu verarbeiten vermag.
Das Private ist auch politisch – der Satz stellt die Verbindung her zu dem ein Jahrzehnt später entstandenen, in der Gegenwart von 1980 situierten Film »Solo Sunny«, der auf der Berlinale für Renate Krößner den Silbernen Bären brachte. Der antifaschistische Impetus trägt nicht mehr, ebenso wenig die Idee der Alternative, die die DDR seit ihren Anfängen konstituiert hatte: als der Teil Deutschlands, der seinem Wesen nach ein Gegenmodell kultureller Identifikation lebte, als die mit dem europäischen Westen. Es war das an die Sowjetunion gebundene Erbe, das bis in unsere Tage wirkt. Stagnation, Resignation und Widerspruchsgeist prägen nun den sozialistischen Alltag. Wolf & Kohlhaase erfassen exakt die Mentalitätsgeschichte des Moments.
Die Schlagersängerin Ingrid Sommer, genannt Sunny, tingelt mit ihrer Band durch die Provinz, wo der Glanz von Hitparade und Star-Appeal sofort verblasst, den Sunny / Krößner in ihrer Persönlichkeit dennoch wie zum Trotz und in unerschrockener Provokation verkörpert. Sie nimmt sich das Recht auf persönliche Freiheit, auf Selbstverwirklichung, wie das Schlagwort der Zeit hüben wie drüben hieß. Und sie scheitert: in ihren Beziehungen zu Männern, gegenüber staatlicher Autorität, jedoch nicht im Willen zum eigenen Lebensentwurf – trotz existentieller Krise. Ihr Song »Blue« ist dafür die Leitmelodie. Das unverblümt Schlagfertige, herzerfrischend Naive dieser Tochter Courage aus der Arbeiterklasse, das hier ins alternative Aussteigermilieu der Berliner Hinterhofwohnungen changiert, traf die DDR-Gesellschaft – und nicht nur die – mitten ins Herz.