Wie eine Seifenblase, schillernd, die Farbe wechselnd, zart und doch zäh, beweglich und in den Lüften beheimatet, kurzlebig, aber wiederständig: Wäre nicht so auch die Liebe zu beschreiben? Die Filme des Franzosen Jacques Demy besitzen diese Stofflichkeit, diese Schwerelosigkeit, diesen Wirkstoff. Es sind Liebesgeschichten, also Filme über das Glück und seine Vergänglichkeit, also Filme von Melancholie und Trauer, die davon erzählen, wie Menschen mit ihrem Geschick – Hoffen, Enttäuschung, Untreue, Verlust, dem Wiederfinden – fertig werden. Und wie sich der Feinsinn einer Frau und eines Mannes mit der Zeit eine Robustheit aneignen, die man vielleicht Realismus nennen kann. »Man muss immer genauso gesund sein wie die andern – man kann aber ganz anders krank sein wie jeder andere!«, schreibt Arthur Schnitzler in seinen »Anatol«-Szenen.
Die Filme von Demy – zumindest seine »Romantische Trilogie« aus den 60er Jahren, »Lola«, »Les Parapluies de Cherbourg« und »Les Démoiselles de Rochefort« – gleichen keinen Filmen sonst. Auch wenn es gelegentlich Versuche gab, sich ihre Methode anzueignen, etwa François Ozons »Acht Frauen«. Es sind keine Musicals, auch keine Musikfilme, sondern Filme aus Musik. Ihre Sprache ist die Musik, die Michel Legrand für Demy mit an Lenny Bernstein erinnernden starken Jazz-Rhythmen und opernhaft rauschender Emotion komponiert, darunter den herzzerreißenden Song »I will wait for you« aus dem »Regenschirme«-Film, der zwischen 1957 und 1963 spielt, mit dem die damals 20-jährige Catherine Deneuve berühmt wurde. Jeder Dialog wird gesungen, das ist unnatürlich und dabei das Normalste von der Welt. Die Zweitsprache dieser Filme ist die Farbe.
Demys Welt ist real und konkret, in ihr fahren Leute Auto, kaufen ein, machen den Haushalt, sitzen im Café, und sie ist doch eine vollkommen malerisch kunstvolle und künstliche Konstruktion aus Farben (Hanns Zischler spricht von der »Gravitation der Farben«) und Kulissen. Da sehen wir in Demy den Bewunderer von Max Ophüls, der auf seine Weise Impressionist und Symbolist war, was den Gebrauch und die Wertigkeit der Farbpalette betrifft. Deneuves Gelb, Hellblau und Rosa, das Rot ihrer Mutter, Vorhänge, Tapeten, Wandanstriche, Kleider, Dekors – alles.
Verheiratet war Demy (1931-1990) mit der Regisseurin Agnès Varda, die nach seinem frühen Tod einen bezaubernd innigen Film über ihren Ehemann drehte: »Jacquot de Nantes«. Auch sonst hat sein Werk das ihre befruchtet – und umgekehrt. Ein Jahr nach den »Regenschirmen« dreht Varda »Le bonheur«. Bei Demy verlieben sich Geneviève, die blonde Tochter aus dem Regenschirme-Geschäft, und der Automechaniker Guy (Nino Castelnuovo) ineinander und versprechen sich einander, als er in den Algerienkrieg ziehen muss, aber das Leben will es anders. In Vardas Film stirbt die Ehefrau Thérèse, und ihr Mann François nimmt sich einfach eine neue, Emílie, und das Leben setzt sich fort, als sei nichts gewesen.
Im letzten Teil der »Regenschirme«, Geneviève hat sich längst reich verheiratet und in ihre Ehe die Tochter von Guy eingebracht, trifft sie, die eine Dame im Pelzmantel und mit toupierter Frisur geworden ist, an einer modernen ‚amerikanischen’ Tankstelle Guy als deren Besitzer zufällig wieder, der nun ebenfalls Frau und Kind hat. Eine Begegnung, zum letzten Mal. Es ist Dezember, ein Weihnachtsbaum leuchtet, es schneit. Cherbourg kann sehr kalt sein. Wie Rochefort oder wie Nantes ist die Hafenstadt Gegenmodell zu Paris, der Stadt auch der Nouvelle Vague. Die Provinz, ihre Enge und die Fliehkräfte, die Menschen aus ihr hinaustragen, mischen sich mit der Fantasie von Kindheit, Unschuld und Jugend, die Jacques Demy in sich bewahrt und auf Zelluloid übertragen hat.