Bachmann, Jelinek, Huppert, Mikesch, Lorenz – und Schroeter. Es brauchte keine Quote und nicht mal eine Diskussion darüber. Der große europäische Film- und Bühnenkünstler Werner Schroeter (1945-2010), der sein Erweckungserlebnis als Heranwachsender durch die Stimme der Diva assoluta, Maria Callas, hatte, war in seiner 40-jährigen Karriere ein Regisseur von Frauenfiguren: im Theater mit Salome, Emilia Galotti, Medea oder Phädra, in der Oper mit Luisa Miller, Lady Macbeth von Minsk und La Wally, Lulu und Norma und in seinen anfangs radikal experimentellen, später narrativeren Filmen, von »Der Tod der Maria Malibran« (1972) bis »Deux« (2002).
Schroeter, Regisseur der Geste, des Pathos, des Traums, der verzehrenden Glut und des Rauschs und ihrer Verwandlung in der Großaufnahme, fürchtet das Theaterhafte nicht. Er stellt ihm nach. Seine Heimat war das Deutschland und Frankreich der Romantik und der Poesie von Heinrich Heine, der Renaissance Italiens, des »Melodramma tragico«, waren die Sehnsuchtsschlager von Caterina Valente.
Ingeborg Bachmanns einzigen Roman »Malina«, von ihr gedacht als Auftakt eines Zyklus’ von »Todesarten«, hat Elfriede Jelinek zum dialogischen Drehbuch verarbeitet; Isabelle Huppert spielte die namenlose Protagonistin; Elfi Mikesch verantwortete die halluzinatorisch kreisende Kamera und Juliane Lorenz, Fassbinders Gefährtin, die Montage des Films von 1991.
Ein Film über die Liebe, also über das Unglück, wie die »Undine« Bachmann es versteht. Eine Frau – auch sie Schriftstellerin und Büchermensch, wohnhaft Ungargasse 6, III. Bezirk – zwischen zwei Männern, dem körperlich fassbaren Ivan (Can Togay) mit seiner Anwesenheit im Wirklichen und dem Phantasma Malina, der für sie jedoch physische Realität als Lebens- und Gesprächspartner und Gegenüber hat. Mathieu Carrière gibt ihm als einem Strategen kalkulierter Fürsorge undurchsichtige Aura und unterkühlt überlegenes Charisma. Huppert als Freibeuterin und Gefangene ihrer selbst, versehrt und gefährdet, irrlichtert durch ihre subjektiv imaginäre Welt, die aussieht wie Wien: exaltiert, vibrierend, sensitiv, fahrig hantierend mit Zigaretten, Briefen und Manuskripten, von ihrer Begabung und ihrem Selbstbestimmungswunsch wie von Erinnyen gehetzt. Als Schatten begleitet sie die exquisite Sopranistin (Jenny Drivala), die das unstet flackernde Seelenleben der Frau in Musik transponiert.
Kunst und Leben, der Antagonismus, der sich so gern in Übereinstimmung bringen würde, ist Stoff und Thema von »Malina«: als Studie über Kreativität und wie die sich an Lust und Eros bindet oder dies eben nicht vermag. Eine Innenbeschau, die sich in 122 Szenen erzählt über Träume, Erinnerungsfetzen, reale Partikel und konkrete Orte, die sich jedoch grotesk aus ihrem Alltag entfernen.
Ein Schrei, beinahe ein Todesschrei, steht am Beginn der weiblichen Biografie. Der Vater würgt die Tochter: eine Initiation in das fatale Verhältnis von Mann und Frau und deren Identitätsverlust. Schließlich sagt die Frau zum Mann Malina: »Wenn du mich jetzt nicht aufhältst, ist es Mord.« Damit endet Bachmanns Roman. Die Frau verschwindet. Sie geht in die Wand hinein und aus der Welt hinaus. Bei Schroeter brennt ihre Wohnung lichterloh. Ein Leben in Feuerland. »Malina« – eine zweistündige filmische Beunruhigung.