TEXT: REGINE MÜLLER
In glorreichen Zeiten galt das Haus als »Bayreuth am Rhein«, es hatte nicht nur den kompletten »Ring«, sondern auch alle anderen großen Wagner-Opern mit bedeutenden Interpreten im Repertoire. Passé, obwohl noch Mitte der 80er Jahre der von Pet Halmen als opulentes Fantasy-Märchen inszenierte »Lohengrin« ein Ereignis war. Nun endlich ein neuer Schwanenritter, Sabine Hartmannshenn anvertraut, die bereits zweimal an der Rheinoper inszenierte. Sie hat sich den Schneid nicht abkaufen lassen und nicht auf kraftvollen Regie-Zugriff verzichtet. Die Handlung wird aber eher versachlicht, entschärft und um seine metaphysische Ebene gebracht. Dieter Richters Foyer-Raum mit runder Deckenöffnung zeigt Imitationen von grün gemasertem Marmor. An die still gelegte Zentrale des Gerling-Konzerns in Köln denkend, befindet man sich im Innern einer Investment-Bank, denn als Inspirationsquelle dient das Buch »Man muss dran glauben. Die Theologie der Märkte« des Literatur- und Medienwissenschaftlers Jochen Hörisch.
In der Verbindung zwischen Ökonomie und Religion liege das eigentliche Thema von Lohengrin, meint die Regisseurin. König Heinrich wird zum Bankdirektor in der Finanz-Krise, Telramund sein hoher Mitarbeiter – und Lohengrin? Der schneit ohne Schwan im Sneaker-Jeans-Trench-Look herein als Konzern-Retter, smart wie Nicolas Berggruen. Der Schwertkampf ist gestrichen, Telramund kriegt die Papiere und einen Koffer mit Abfindung: Goldener Handschlag statt Gottesgericht. Es geht auch nicht um Krieg und die penetrant gestellten Fragen nach nationaler Identität. Die waffenrasselnden Chöre mit ihren »Heil!«-Rufen und die Hochzeits-Szenen werden bloß karnevalesk verkleidet. So egalisiert der rheinische Kapitalismus jede Form politisch-ideologischer Wallungen. Die seltsame Liebesgeschichte zwischen Elsa (zwischendurch lesbische Neigungen zu Ortrud offenbarend) und dem namenlosen Lohengrin erscheint als überspannte Psychokiste.
Doch das Finanzkrisen-Konzept funktioniert nicht, selbst wenn dichte Einzelszenen gelingen und die kluge Chor-Regie positiv auffällt. Auch musikalisch enttäuscht der Abend. Axel Kober findet mit dem Orchester aus einem durchweg zu lauten Einheitstonfall kaum heraus, es mangelt an Farben und Delikatesse. Die Sänger operieren mit zu viel Druck: Manuela Uhls Elsa peilt die Töne meist von unten an; Roberto Saccà gibt einen italienisch timbrierten, achtbaren Lohengrin, der selbst in der Gralserzählung noch Reserven hat; ohne Fehl und Tadel Hans-Peter König als Heinrich; Simon Neal singt einen flammenden Telramund; Susan Macleans Ortrud startet ansprechend, baut rasch ab und klingt am Ende ruiniert. Kein Bayreuth am Rhein mehr.
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