Köbberling/Kaltwasser: »Our CenturY«
Kaum etwas in unserer Gesellschaft ist so gefährdet wie der öffentliche Raum. Staat und Städte lassen ihn einerseits verkommen; andererseits versuchen sie ihn etwa mittels Videoüberwachung zu kontrollieren. Und wenn sie es nicht tun, dann tun es die Geschäftsleute in den Malls. Während ein gewachsenes Viertel nach dem andern der Gentrifizierung zum Opfer fällt. Alles was eine Stadt urban und aufregend macht, verschwindet zusehends. Gegen diese Tendenz anzuarbeiten, sieht das Künstlerpaar Folke Köbberling und Martin Kaltwasser als seine Aufgabe an: mit Aktionen und künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum, die oft auch »soziale Plastiken« sind, indem sie Ortsansässige zur Mitarbeit einladen. Die Materialien, die sie zum Bau ihrer in der Regel temporären Projekte verwenden, sind stets den städtischen Ressourcen entnommen: Weggeworfenes, Abfälle, Geschenktes. Genau so wird es ab Mitte August vor der Jahrhunderthalle geschehen: In ihrem Gemeinschaftsprojekt »Our CenturY« wollen Köbberling/Kaltwasser, zusammen mit möglichst vielen Ruhrgebietsbewohnern und aus möglichst vielen Bau-Resten, eine neue urbane Landschaft errichten – um zu zeigen, dass »Stadt« ein dauernder Prozess ist. Mittelpunk dieser wilden Bauhütte wird eine Küche sein.
17. August bis 30. September, Jahrhunderthalle Bochum.
Jérôme Bel und das Theater HORA mit »Disabled Theater«
Wir merken auf beim Anblick von Andersheit. Die Begegnung mit den außerordentlichen Körpern behinderter Menschen produziert charakteristische Resonanzen: Verlegenheit, Neugierde, Ablehnung. Reflexhaft beginnt in uns eine Ökonomie des ästhetischen Unterschieds zu arbeiten. Und mit Erschrecken stellen wir fest, dass Theater und Tanz mit ihren selektiven Körperbildern eine eigene, fragwürdige Normativität erzeugt haben. Im Oktober 2010 meldet sich das Zürcher Theater HORA bei dem Choreografen Jérôme Bel. Ob er sich vorstellen könne, mit einer Theatergruppe zu arbeiten, die ausschließlich aus professionellen Schauspielern mit geistiger Behinderung besteht? Für Jérôme Bel ist das Theater ein Mittel, Verhältnisse oder Fähigkeiten sichtbar zu machen, die normalerweise unserem Blick entzogen sind. »Disabled Theater« ist die Rekonstruktion seiner ersten Begegnung mit den Schauspielern. Im Verstehen seines »Theaters der Präsenz« stoßen wir an die gleichen Grenzen wie im Verstehen von geistiger Behinderung. Wir fühlen uns wie Voyeure in Reich der Imagination, des eigenen Unbewussten und Unverständlichen. Kann die zeitgenössische Kunst die Wahrnehmung von Behinderung, ihre Ausgrenzung und unsere Sinnzuschreibungen verändern? Eine komplizierte Frage. Ästhetik kann eine Chance sein, wenn wir sie aus den Nischen ins Zentrum der Aufmerksamkeit holen und Konventionen unterwandern lassen.
Auff.: 23. bis 25. August, PACT Zollverein, Essen.
Romeo Castelluccis »FOLK«
Mit dem, was Menschen zusammenhält, beschäftigt sich Romeo Castellucci in seinem neuen Stück »Folk«. Darunter versteht der italienische Theatermacher mitnichten nur die bürgerliche Kleinfamilie als »Keimzelle des Staates«. Ihn interessiert das Thema »Gemeinschaft« in seiner gesellschaftspolitischen und zivilisatorischen Dimension. Zu erwarten ist, dass auch diese Arbeit den ursprünglichen Triennale-Gedanken ernst nimmt, Theater von den Industriekathedralen her zu denken. Mit seiner Socìetas Raffaello Sanzio, die Castellucci 1981 zusammen mit seiner Frau Claudia und Chiara Guidi in Cesena gegründet hat, zählt der 1960 geborene studierte Maler und Bühnenbildner heute zu den bedeutendsten Regisseuren seines Landes und zugleich zu den wenigen international erfolgreichen Vertretern der italienischen Theater-Avantgarde. 2005 leitete er die Theaterbiennale in Venedig, 2008 war er als »Artiste Associé« mitverantwortlich für das Festival d’Avignon. Zuletzt gastierte Castellucci beim Theater der Welt im Ruhr.2010-Jahr mit »On The Concept Of Face, Regarding The Son Of God, Vol. I«.
Auff.: 25., 26., 28. bis 31. August sowie1. und 2. September, Gebläsehalle, Duisburg.
»Marketplace 76« von Jan Lauwers & Needcompany
Ein Unfall reißt mehrere Bewohner eines Dorfes in den Tod. Trauer bestimmt den Alltag der Hinterbliebenen, bis eines Tages Seltsames geschieht: »A boat fallen from the sky«. Das ist die Grundsituation von »Marketplace 76«, das mehrperspektivisch eine Geschichte aufblättert, die große Gefühle berührt, in Tiefenzonen menschlichen Zusammenlebens dringt und vom Überleben erzählt. Jan Lauwers entwickelt gemeinsam mit den Komponisten Rombout Willems, Maarten Seghers und Hans Petter Dahl ein Szenario, bei dem die Dörfler die Ereignisse episch berichten, nachfühlen, kommentieren – in Sprache, Tanz und Gesang. Illusions-Theater in lichter Transparenz, das sich beständig über seine Mechanismen selbst aufklärt, gemäß der Idee vom »denkenden Spiel« der Akteure. Lauwers, 1957 in Antwerpen geboren und einer der Heroen der flämischen Theater-Innovation, gründete mit Grace Ellen Barkay die Needcompany 1985; seither sind sie mit berückenden Fantasiestücken wie »The Deer House« im europäischen Theaterbetrieb eine feste Größe: als Grenzgänger zwischen Theater, Tanz, Performance und bildender Kunst.
Auff.: 7., 8., 13., 14. und 15. September, Jahrhunderthalle Bochum.
Orffs »Prometheus« von Lemi Ponifasio
Mit seinem auf Aischylos zurückgehenden »Prometheus« habe sich Carl Orff, »leidenschaftlicher Humanist und Großsiegelbewahrer des Gedankens an die kulturschöpferische Einheit Europas als vitale, produktive Potenz erwiesen«, schrieb die Süddeutsche Zeitung 1968. Weshalb Orff? Für Heiner Goebbels besitzt seine Oper »eine wahrhaft utopische Struktur, von der das Musiktheater des 21. Jahrhundert noch eine Menge lernen« könne: »Orff bietet eine radikale Alternative zur psychologisch motivierten Literaturvertonung. Nimmt hellseherisch vieles der amerikanischen Minimalisten vorweg. Und setzt auf die Kraft des – unverstandenen – Wortes und den Klang der Sprache.« Sänger, Schauspieler (u.a. David Bennent), Tänzer der MAU Company, Chor, Musiker und Laiendarsteller inszeniert der aus Samoa stammende Performancekünstler Lemi Ponifasio, gemäß dem Leitwort: »Like the last speeches, the last dances on Earth.« Nicht das altgriechische Libretto über den gegen die Götter revoltierenden gefesselten Prometheus wird zu hören sein, sondern die deutsche Übertragung des antiken Textes durch den ehern modernen Mythologen Heiner Müller. Es dirigiert: Peter Rundel.
Auff.; 16., 18., 21., 23., 25., 27. September, Kraftzentrale, Duisburg.
Robert Lepages »Playing Cards 1: Spades«
Bagdad während der Angriffe durch die US-Army auf das Regime von Saddam Hussein und das Spielerparadies Las Vegas in der Ödnis von Nevada: zwei Wüsten-Schauplätze medial manipulativer Reizung und Überreizung. Es sind die einander ergänzenden, simultan angelegten Gegenwelten von »Pik«, dem ersten Teil von Robert Lepages theatraler »Kartenspiel«-Fantasie. Die schwarze »Pik« symbolisiert den Krieg. Es geht ums Glück, um Verlust, Betrug, mentale Leere – unter Militärs, bei einem Hochzeitspaar, einem Businessman (Lepage selbst), der sich eine Nutte ins Hotel bestellt, einem illegal arbeitenden mexikanischen Zimmermädchen… Der 1957 geborene kanadische Theater- und Filmemacher, Autor und Schauspieler Lepage, der 1994 seine multinationale und -funktionale Compagnie Ex Machina in Québec gründete, ist ein Sonderling wie Bob Wilson. Sein intuitives Künstlertum wird motiviert und grundiert vom Überwinden der eigenen Schüchternheit, ist verschlüsselte Autobiografie und ästhetische Selbsttherapie. Verwandlung gehört zu seinen zentralen Motiven und die Gestalt des Brüderpaars zu seinen Urbildern, etwa in »The Far Side of the Moon« und »The Anderson Project« aus den 2000er Jahren. Verwandlung setzt sich auf der visuellen Ebene fort: Lepage findet das Staunen herbei zwingende Bilder und springt mit Technik und Lichtmaschinen ebenso magisch um wie mit unserem Zeitgefühl. So zieht der Zauberkünstler ein As nach dem anderen aus der vexatorischen Bühnenarena hervor, die Hotelzimmer, Swimmingpool, Peepshow-Plattform, Schlachtfeld ist. Und der Zuschauer sitzt da wie Pik sieben.
Auff.: 21., 22., 23., 25. und 26. September, Salzlager, Zollverein, Essen.
Laurent Chétouanes »Sacré Sacre«
Mary Wigman und Maurice Béjart haben es getan, Pina Bausch, Mats Ek, Uwe Scholz und viele mehr. Nach der Pariser Uraufführung durch die Balletts Russes im Jahre 1913, die vom extrem hohen Fagottsolo des Anfangs an und wegen des »Primitiven« der polyrhythmischen Komposition zum Skandal geriet, wurde »Le Sacre du Printemps« zu einer Inkunabel der Moderne. Gleichrangig neben Giganten anderer Kunstgattungen wie Picassos »Demoiselles d’Avignon«, Becketts »Godot« oder Eisensteins Filmen. Der Choreograf Laurent Chétouane unternimmt mit dem »Frühlingsopfer« eine Recherche. Im »Sacre« geht es um die Gemeinschaft und den Einzelnen, das Fremde und das Vertraute, das Ritual des Opfers. Chétouane interessiert der Aspekt der Unfähigkeit einer Gesellschaft, das Fremde in seiner Andersartigkeit bestehen zu lassen. Seine Arbeit, die Strawinskys Musik in Beziehung setzt zu einer Komposition von Leo Schmidthals, verschiebt die Perspektive von der Aufführung des »Frühlingsopfers« zur choreografischen Opferung des »Sacre« selbst. In Frankreich geboren und Kenner der deutschen Klassik, sucht Chétouane auf dem Sprechtheater oder der Tanzbühne nach einer »Ethik einer Bewegung«, nach dem Sinn der Worte in ihrer Melodie und nach der verlorenen Sprache der Körper.
Auff.: 27. bis 29. September, PACT Zollverein, Essen.
»When the mountain changed its clothing« von Heiner Goebbels
Am Anfangs stand ein Satz: »Wovon träumen die jungen Mädchen?« – »Vom Messer und vom Blut.« Mit dem Dialog des französischen Autors Alain Robbe-Grillet endete 1995 ein Musiktheaterstück von Heiner Goebbels. Der Satz hat sich festgesetzt und löst nun das Musiktheater »When the mountain changed its clothing« aus, das Heiner Goebbels mit 40 Mitgliedern des Vocal Theatre »Carmina Slovenica« (unter Leitung der Dirigentin Karmina Šilec) aus Maribor realisiert. Die Mädchen im Alter von zehn bis zwanzig Jahren stehen an einer Schwelle: Abschied von der Kindheit, Riten der Verwandlung, parallel zum zyklischen Wechsel der Jahreszeiten. Das Alte ist nicht mehr, das Neue noch nicht. Sie sind aktiv und passiv zugleich, unschuldig und unberechenbar (für sich und andere), sind gefährdet und bedrohlich, probieren sich aus, balancieren Machtverhältnisse, träumen und spielen. Verse und Gesänge verdichten sich zu poetischen Bildern. Die Musik stammt aus dem Repertoire des Vocal Theatre, das vom Mittelalter über Folkloristisches bis zum Zeitgenössischen reicht, bereichert um Partisanengesänge aus der Tiro-Ära sowie Popsongs.
Auff.: 26. bis 29. September, Jahrhunderthalle Bochum.
Konzerte im Überblick
Als Komponist bewegt sich Heiner Goebbels an den Schnittstellen von Klassik, Jazz und Rock. Ähnlich breit fächert sich das Musikprogramm auf. In einem mit Meister-Bariton Thomas Hampson und Star-Dirigent Kent Nagano prominent besetzten Konzert erklingen u.a. Songs eines Komponisten, der mit seiner Collagetechnik dem Kollegen Goebbels zugearbeitet hat: der amerikanische Vater der Moderne, Charles Ives. Goebbels’ Interesse an sprachkompositorischen Schichten spiegelt sich im Spätwerk des Italieners Luigi Nono wider. Das ChorWerk Ruhr präsentiert Nonos epochales Stück »Das atmende Klarsein« für Chor, Bassflöte und Live-Elektronik und singt zudem revolutionär moderne Madrigale des Renaissance-Maestros Carlo Gesualdo. Mit dem Ensemble Modern wurde ein Orchester eingeladen, mit dem Goebbels schon viele Werke aufgeführt und eingespielt hat. Für das multimediale Konzert »utp« verbünden sich die Frankfurter Musiker mit dem Videokünstler Carsten Nicolia alias alva noto sowie dem Japaner Ryuichi Sakamoto, den man als Gottvater des buddhistischen Techno-Pop bezeichnen kann.
Hampson / Nagano / Mahler Chamber Orchestra: 1. September, Jahrhunderthalle Bochum; ChorWerk Ruhr: 28. & 29. September, Gebläsehalle, Duisburg; alva noto / sakamoto / Ensemble Modern: 30. September, Jahrhunderthalle Bochum.
Mathilde Monniers »Twin paradox«
Ihr Stil ist nicht eine bestimmte Bewegungsart, Atmosphäre oder Dramaturgie. Mathilde Monnier macht sich in jeder ihrer Arbeiten von unterschiedlichen Ausgangspunkten her eine Menge Gedanken über die Körper auf der Bühne. Und mit ihnen. Zu erleben ist dann Lust an kluger Kunst mit Sinn fürs Sinnliche und Spielerische – und auch für Humor. Monnier begann 1983 zu choreografieren. Seit 1994 leitet die Französin das Centre Chorégraphique National de Montpellier. Nach PACT Zollverein brachte sie 2010 ihr wunderbares Gruppenstück »pavlova 3‘23‘‘«, das sich der Erinnerung an Ballett und der Vergänglichkeit nicht nur von Schwänen widmete. Zeitlichkeit und Wandlungsfähigkeit sind Grundthemen Monniers. In der »Soapéra«, die sie jetzt zeigt, bewegt sich ein Berg Schaum, bäumt sich, faltet sich und vergeht. Das solide Äußere ist bloß schöner Schein. Die Tänzer erben seine Glitschigkeit. In »Twin Paradox« von 2012 erkämpfen sie sich das Überdauern: Eine Hommage an die Urzelle des Gesellschaftstanzes, das Paar.
Auff.: »Soapopera«: 6. bis 8. September, Salzlager Zeche Zollverein, Essen; »Twen paradox«: 20. bis 22. September, Maschinenhalle Zeche Zweckel, Gladbeck.
Christian Marclay und sein Film-Konzert »Everyday«
Wer sich der Kunst des geistigen Recyclings verschreibt, hat die Plagiat-Wächter zu fürchten. 2011 verursachte Christian Marclay Diskussionen unter Experimentalfilm-Experten mit Langzeitgedächtnis. Auslöser war das 24-Stunden-Video »The Clock«, für das er bei der Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet worden war. Tausende von Ausschnitten aus Filmklassikern hatte Marclay montiert, um das Verrinnen der Zeit anhand von Uhren aller Art darzustellen. Die Koppelung von Film- und Realzeit hatte bereits der deutsche Filmemacher Christoph Girardet, bekannt auch aus seiner ingeniösen Zusammenarbeit mit Matthias Müller, Jahre zuvor als found footage ähnlich ins Werk gesetzt: in knappen 60 Sekunden. Girardet war auch nicht düpiert. Er fand Filmauswahl, Verbindung der Szenen und den Umgang mit Tönen des Kollegen sowie die Dauer als »äußerst attraktiv«.
Die zur Sensation sich kurz aufbauschende Debatte erzählt einiges über die Methode des amerikanischen Multi-Media-Künstlers. Marclay ist nicht auf der Suche nach radikal neuen Bild- und Klangsprachen. Seine Ideen speisen sich aus Fundstücken, denen er über Collage- und Verfremdungstechniken zweite und dritte Wahrnehmungs- und Erzählebenen einzieht. Das gilt für die Videoarbeiten, die das Hollywood-Archiv anzapfen. Ebenso verwandelt er Tondatenträger wie die Vinyl-Platte in sonderbare Klangraum-Objekte. So ließ er in den 1980er Jahren Schallplatten, die er in einem Berliner Fachgeschäft für Avantgarde-Musik zum schwarzen Klangteppich ausgelegt hatte, von Füßen (be-)treten. Dann überzog er sie mit einer Farbschicht, in die er als etwas anderer DJ die Abtastnadel eines Schallplattenspielers Klang-Spuren einfräsen ließ.
Ob das nun Musik ist, interessiert den Patchworker und Dekonstruktivisten nicht. Vielmehr fühlt er sich auf seiner Entdeckungstour durch das bislang Ungehörte dem Freiheitsbegriff von John Cage verpflichtet. Und hat damit Kultstatus erlangt. Marclay, 1955 in Kalifornien geboren und in der Schweiz aufgewachsen, hatte bereits in den 1990er Jahren zwei Mal die Schweiz bei der venezianischen Kunstschau vertreten. Zudem widmeten ihm das New Yorker Whitney Museum sowie das Kölner Museum Ludwig Retrospektiven, bei denen auch das Kissen zu sehen war, dass Marclay aus Tonbändern mit Beatles-Aufnahmen gehäkelt hatte. Rosemarie Trockel wird es gefreut haben.
Vom internationalen Kunstbetrieb verwöhnt, ist Marclay gleichwohl dem musikalischen Underground treu geblieben, den er Ende der 1970er Jahre in New York erstmals betrat. Da er kein handelsübliches Instrument beherrscht, machte er den Plattenspieler zu seinem Ding. Er hat mit der Performerin Laurie Anderson zusammengearbeitet und mit dem vom musikalischen Slow- bis Fastfood alles verschlingenden Jazz-Saxophonisten John Zorn.
Für seine Film-Konzert-Performance »Everyday«, mit der Marclay bei der Ruhrtriennale gastiert, hat er vier Edelnamen aus der improvisierten Musik gebeten, darunter Saxophonist John Butcher und Pianist Steve Beresford, die zur Creme der britischen Free Jazz-Szene gehören. »Everyday«, im vergangenen Jahr beim englischen Aldeburgh Music Festival uraufgeführt, ist eine dieser unvorsehbaren Reisen durch die Welt der Klänge, die von Marclays Video-Clips angestoßen werden. Spontan und in Echtzeit von circa einer Stunde reagieren die Musiker auf die kurzen Filmsequenzen. Mitten im Klangkosmos steht Marclay an seinem Plattenspieler und entlockt den Second-Hand-Scheiben Geräusche und Rhythmen, die wiederum im Sinn von John Cage alles sein können. Der antwortete auf die Frage, ob das Musik sei, was er mache: »Sie müssen es nicht Musik nennen, wenn Sie der Begriff stört.« | GUFI
»Everyday«: Konzert am 22. September, Jahrhunderthalle Bochum. www.ruhrtriennale.de