»Macht kaputt, was euch kaputt macht«, sang die Band Ton Steine Scherben 1969 und erfand so einen Slogan für die autonome und anarchistische Szene, die das kapitalistische Wirtschaftssystem zerstören und ersetzen wollten. Die alternative Szene von heute ist etwas milder gestimmt: Sie klaubt und setzt Ton, Steine und Scherben wieder zusammen. »Repariert, was euch kaputt macht« ist das Motto des Murx-Festivals, das nun in Bochum zum zweiten Mal die nachhaltigen Bestrebungen der Repair- und Upcycling-Szene mit Kunst und Kultur zusammenbringt.
Das Murx-Festival ist ein Gewächs der Bochumer Rottstraße, genauer: des Ateliers Automatique, in dem Menschen aus dem Theater- und Kunstbereich beständig bestrebt sind, über den Tellerrand zu blicken. So hat Josefine Rose Habermehl, die Teil des Performancekollektivs Progranauten ist, einen Master in Angewandter Nachhaltigkeit und ist mit Kommilitonin Pauline Näscher auf die Idee zum Festival gekommen. Nach dem abgespeckten Corona-Debüt 2021 kann es dieses Jahr erstmals zur vollen Blüte kommen: mit Ausstellungen, Workshops, Lesungen, Stadtrundgängen und Musik rund um die Reparatur-Kultur.
Wie die Szene tickt, zeigt ein eher körperbezogener Programmteil: »Repariere, was Dein Nervensystem stresst« heißt ein Yoga-Kurs, in dem Nathalie Kleinschmidt zeigen möchte, wie man Stress aus Job und Alltag gegen Gelassenheit und Ruhe austauscht. Der Kurs ist eine von gut 25 Veranstaltungen an vier Tagen, zu denen natürlich auch ein klassisches Repair-Café gehört und eine Nachbarschaftswerkstatt, die junge Gäste dazu einlädt, gemeinsam kaputte Spielzeuge zu reparieren. Dabei spielt auch die Ermächtigung eine Rolle – sich zu trauen, handwerkliche Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
Geschirr mit Gold flicken
»Im Moment ist die Reparatur-Kultur vor allem Sache von kleinen, ehrenamtlichen Initiativen«, sagt Josefine Habermehl. »Dass die Menschen etwas auch reparieren lassen würden, selbst wenn es teurer wäre als der Neukauf, soweit sind wir noch nicht – höchstens bei sehr hohen ideellen Werten.« Doch die Initiatorin registriert, dass das Thema immer größer wird und auch im Kunst- und Kulturbereich ankommt, wo Nachhaltigkeit häufiger Teil von Förderrichtlinien ist. Ein Projekt der Materialverwaltung, bei dem Requisiten von abgespielten Theaterstücken verliehen oder zur Wiederverwertung angeboten wurden, löst sich in NRW zwar erst einmal auf, aber es gibt neue Bestrebungen in die Richtung: »Wir richten auf unserer Homepage einen Bereich ein, wo wir Dinge aus dem Requisiten-Keller des Ateliers Automatique verleihen, verkaufen, verschenken – und laden andere Gruppen oder Kollektive ein, das auch zu tun.«
Solche und andere Themen werden bei der Repair-Late-Night von Birk André Hildebrandt und Human Beans am Eröffnungsabend verhandelt. An diesem und anderen Tagen können Besucher*innen oft ganz praktisch Trends der Szene kennenlernen: Zum Beispiel das »Visable Mending«, also sichtbares Flicken von Kleidung. Oder die japanische Kintsugi-Technik, bei der zersprungenes Geschirr mit Gold geflickt und durch die sichtbaren Klebestellen noch wertvoller wird. Zur Halbzeit wird das Murx-Festival dann Teil des Rottstraßenfests – und dabei nachhaltig seine Verbindung zur Nachbarschaft stärken.
MURX Festival
1. bis 4. September