TEXT: MARTIN KUHNA
Natürlich wurde in Hagen der Krieg mit dem üblichen patriotischen Brimborium begrüßt wie in anderen deutschen Städten auch. Natürlich wurden in Hagen gute Geschäfte mit dem Krieg gemacht – wie in jeder anderen deutschen Industriestadt auch. Um diesen Hintergrund abzubilden, zogen für die Ausstellung Exponate ins Osthaus-Kunstmuseum, die man sonst in Geschichts- oder Heimatmuseen antreffen würde: Dokumente, Fotografien, Tagebücher, Orden, Uniformen, Pickelhauben.
Daran ist wenig Überraschendes – mit einer großen Ausnahme. Außerhalb Hagens dürfte wenig bekannt sein, wie kriegswichtig die Stadt mit einem einzigen Produkt war, symbolisch für die Bedeutung damaliger Hochtechnologie bei der Rüstung und mittelbar von entscheidendem Einfluss auf den Kriegsverlauf: Die Hagener Firma AFA (später Varta) hatte nämlich ein Quasi-Monopol bei den riesigen U-Boot-Batterien. Auf den U-Booten aber beruhte zu einem guten Teil die kriegsverlängernde Zuversicht der deutschen Militärs. Ihr Bestehen auf dem »uneingeschränkten U-Boot-Krieg« wiederum provozierte den Eintritt der USA in den Krieg: Anfang vom Ende.
Und dann war da Karl Ernst Osthaus. Der Mäzen hatte das Folkwang-Projekt initiiert; er hatte Architekten, Künstler und Kunst gefördert und einige von ihnen nach Hagen geholt: Henry van der Velde, Jan Thorn Prikker, Christian Rohlfs. Mit Jugendstil und Expressionismus hatte er begonnen, das Gesicht und den Ruf der Industriestadt zu verändern. Die Ausstellung zeigt, dass auch Osthaus 1914 nationalistischen Überschwang entwickelte. Er sollte erfahren, dass dieser Krieg und sein Engagement für die moderne Kunst nicht zusammenpassten.
Als Hagen von der »Nagelwelle« erfasst wurde und die Riesenskulptur eines Schmiedes gegen kriegsfördernde Spenden rituell benagelt werden sollte, wünschte Patriot Osthaus sich, einigermaßen naiv, dass die Propagandaaktion ohne Kitsch verlaufen würde – und beauftragte Ernst Ludwig Kirchner mit dem Entwurf für die Statue. Dessen Schmied allerdings war den Hagener Honoratioren nicht heldisch genug und wurde abgelehnt. Stattdessen wurde ein naturalistischer Muskelprotz aus der Werkstatt eines einschlägig bewährten Dortmunder Künstlers aufgestellt. Der Krieg war modern, ja, aber der Heroismus zeigte sein altes Gesicht.
Osthaus musste es hinnehmen, dass viele der von ihm geförderten Künstler in den Krieg zogen oder gezogen wurden und dass nicht wenige »im Felde blieben« – so auch der Hagener Walther Bötticher, dem noch heute bescheinigt wird, dass er unter den jungen Expressionisten ein Großer hätte werden können. Osthaus selbst erlitt finanzielle Verluste durch den Krieg und musste immer wieder Teile seiner Sammlung verkaufen, um sein Projekt über Wasser zu halten. 1917 wurde auch er eingezogen, trotz delikater Gesundheit, wurde im Kriegsdienst schwer krank und erholte sich davon nie mehr vollständig. Sein früher Tod 1921 und die finanziellen Probleme bedeuteten das Ende für Hagens intensive Affäre mit der Moderne. »Folkwang« wurde nach Essen verkauft.
Vor dem Hintergrund solcher Informationen wirken in der Ausstellung zahlreiche Kunstwerke, zum großen Teil aus den eigenen Beständen des Osthaus-Museums. Der Krieg und die Kriegszeit spiegeln sich in Arbeiten der Hagener Christian Rohlfs, Walther Bötticher, Hans Slavos, Milly Steger und in Werken berühmter Künstler aus dem Folkwang-Umfeld. In der Tat: Der Kontrast zwischen diesen Bildern und den Exponaten zum Kriegsalltag der Stadt Hagen zeichnen die Ausstellung aus, trotz der etwas konventionellen Präsentation.
Wer den Blick auf den Kriegsalltag in Deutschland vertiefen will, kann das in einer kleinen Wanderausstellung des Landschaftsverbandes Westfalen tun: »An der Heimatfront«. Sie zieht Anfang Juni aus dem Hagener »Historischen Zentrum« weiter nach Dortmund. In dieser Ausstellung ein Plakat von 1916: »Wie verhalte ich mich bei Fliegergefahr?« Die Ratschläge klingen kaum anders als die im folgenden Krieg – bis auf einen: »Nachts kümmerst du dich um keinen Angriff!«, steht da unter der Zeichnung eines schlummernden Michels. Nur ein Jahr später überlegten die Briten, wie man mit nächtlichen Angriffen auf die Hagener Batteriefabrik die bloody deutschen U-Boote ausschalten könnte. Neue Riesenbomber schienen das möglich zu machen. Detaillierte und zukunftweisende Anflugtaktiken waren schon ausgearbeitet, einschließlich Zielmarkierung durch Pfadfinder-Flugzeuge. Doch überwog die Furcht, dass die Piloten sich nachts über den vielen Industrieanlagen der Region verfranzen würden. Und dann war der Krieg vorbei. Die Idee aber wurde bald wieder aus der Schublade geholt.
»Weltenbrand – Hagen 1914«20. Mai bis 10. August 2014: Osthaus Museum Hagen. www.weltenbrand-hagen.de
»An der ›Heimatfront‹«, bis 1. Juni 2014: Historisches Centrum Hagen
7. Juni. bis 3. August: Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund
9. August bis 5. Oktober: Stadtmuseum Münster. www.lwl.org/LWL/Kultur/Museumsamt/ausstellungen/an-der-heimatfront