Als Visitenkarte des frisch aufgestellten Bonner Leitungsteams darf man die Neuproduktion der »Elektra« verstehen. Regie führte Intendant Klaus Weise; musikalisch gab Generalmusikdirektor Stefan Blunier seinen mit Spannung erwarteten Einstand am Pult des Beethoven-Orchesters. Der 44-jährige gebürtige Schweizer folgt dem aus Kiew stammenden Roman Kofmann, dessen Wirken in Bonn unter keinem glücklichen Stern stand. Blunier vertritt eine neue Dirigenten-Generation, für die Mut zum Experiment die Regel und nicht mehr die Ausnahme ist. Die Symphoniekonzerte hat er unter das Motto »Das Beste vom Feinsten« gestellt und beim ersten Abo-Termin gleich Ligeti mit Schönberg und Strauss’ gigantischer Alpensinfonie kombiniert.
Bluniers Debüt am Opernhaus lässt sich als gelungen werten, denn den behäbigen, tendenziell dunklen Klang des Orchesters hat er bereits merklich aufgehellt und zugespitzt. Die Tempi nimmt er rasch und ist konsequent um Durchhörbarkeit bemüht. Dennoch liebt er den süffigen, sinnlichen Klang, dem er eine gewisse Sachlichkeit der emotionalen Regie gegenüberstellt. Blunier lädt Strauss nicht mit Schwere und
Pathos auf, sondern lässt eher gelegentlich Ironie aufblitzen. Wuchtige Überwältigungsmechanik ist seine Sache ebenso wenig wie das tief Gründelnde.
Letzteres erbrachte jedoch auch Nachteile, denn im Dialog mit Weises verharmlosender, oratorisch steifer Regie an der Rampe von Martin Kukulies’ Bühne in Harry-Kupfer-Ästhetik der 80er Jahre geriet die Strauss-Tragödie arg beiläufig. Dramatische Höhepunkte wurden verschenkt. Die erlösende Ankunft Orests (Mark Morouse) etwa schien so harmlos freundlich, als wolle der rächende Sohn erklären, er habe bloß mal eben seinen Flieger verpasst. Elektras (Barbara Schneider-Hofstetter) finale Tanz-Ekstase strauchelte durch das laute Aufklatschen zahlloser Leichensäcke, die vom Schnürboden plumpsten und die Musik empfindlich störten. // REM