Schon für das vergangene Jahr war Karlheinz Stockhausens Open-Air-Komposition »Sternklang« angesetzt. Doch weil Corona 2020 bekanntlich nahezu jedem Festival in die Parade gefahren ist, wurde auch dieses Konzert abgesagt – wie überhaupt das komplette Kölner Acht-Brücken-Festival. Nun aber dürften die Sterne gut für Stockhausens 1971 geschriebenes Opus stehen.
Sollte sich am 4. Juni der rheinische Wettergott gnädig zeigen, steht dieser auch als »Parkmusik« bezeichneten Himmelsmusik nichts im Wege. Im weiten Rund des örtlichen Bundesliga-Stadions verteilen sich dann fünf Ensembles und singen – inspiriert von den glasklar funkelnden Sternzeichen am Firmament – geheimnisvolle Melodien. Diese musikalische Meditation, bei der sich jeder einzelne Musiker und Hörer »ins kosmische Ganze« versenken sollte, wurde wegen ihres Produktionsaufwandes weltweit bislang kaum gespielt. Dementsprechend darf bereits jetzt die von Stephan Meier geleitete Aufführung als einer der absoluten Höhepunkte der diesjährigen »Acht Brücken« gelten. Wobei man zum Glück noch einige andere Highlights aus der letztjährigen Ausgabe retten konnte. Dazu zählt etwa der Auftritt des Techno- und Ambient-Gurus Manuel Göttsching.
Ansonsten aber wurde das für 2020 angesetzte Schwerpunktthema »Kosmos« nochmal völlig neu überdacht. Einen zweiten Fokus setzt man auf die Welt der Comics in der zeitgenössischen Musik. Dabei lernt so manche surreale Bildergeschichte per Animationsstreifen laufen. Wie etwa bei der Uraufführung des Ensemblestücks »Strand« des Engländers Richard Ayres, zu dem der Comiczeichner Paul Barritt einen Film beisteuert. Die irische Komponistin und Performancekünstlerin Jennifer Walshe übernimmt gleich mal die Regie bei den live-projizierten Comic-Zeichnungen aus ihrem Stück »meanwhile, back at the ranch«. Was für merkwürdige Bilder allein im Kopf entstehen können, wenn man laut des Komponisten Fausto Romitelli »instrumentale Harmonien wie durch einen Meskalinschleier« hört, will das Ensemble Modern mit eben dessen »Professor Bad Trip« zeigen.
Mit rund 50 solcher auf- und anregenden Konzerte bespielt das Festival nun also wieder nahezu ganz Köln – von der Philharmonie bis zur Lagerstätte für mobile Hochwasserschutzelemente. Erneut wurden reichlich Kompositionsaufträge vergeben. Wie an den gebürtiger Herner Gordon Kampe, der eine Comic-Oper über den auch als Barrikaden-Tauber gefeierten Revolutionsbarden Ernst Busch geschrieben hat. Elektronische und konventionelle Klänge vermischen sich mit live gefilmten Bildern in einem neuen Werk des Portugiesen Luis Antunes Pena. Vom Altmeister Peter Eötvös werden drei vertonte »Heine-Aphorismen« aus der Taufe gehoben.
Zu Eötvös’ musikalischen Helden gehörte übrigens nicht nur seine einstiger Mentor Stockhausen. Bis heute ist er Fan von Frank Zappa. Dem amerikanischen Rock-Freak widmet das Ensemble Studio Dan gleich zwei Konzerte – mit seinen etwas anderen, herrlich subversiven Klassikern wie »King Kong« und dem »Eric Dolphy Memorial Barbecue«. Guten Appetit!
30. April bis 9. Mai 2021