// In Robert Lembkes heiterem Beruferaten »Was bin ich?« wurden die Kandidaten zur typischen Handbewegung aufgefordert, um ihre Profession anzudeuten. Die typische Geste des Regisseurs Stephan Rottkamp wäre die hoch gereckte Hand, die mit irgendeinem Demonstrationsobjekt wedelt und »Gut, aufgepasst!« fordert. So funktioniert sein Theater: Es bläut dem Zuschauer etwas ein, traut ihm eigenständiges Denken nicht zu, penetriert mit seiner plumpen Symbolik. In Hebbels bürgerlichem Trauerspiel, von Rottkamp im Düsseldorfer Schauspielhaus inszeniert, geht das Eins, Zwei, Drei so. Erstens: Die Bühne (Robert Schweer) ist die Wände hoch und runter mit einem bauernstubenhaft bemalten Kalenderspruch plakatiert, der das Gottvertrauen preist. Zweitens: Um Klaras Verhältnisse im Tugendhaus ihres Vaters, des Tischlermeisters Anton, und das Zerbrechen des »gefallenen Mädchens« am moralfrommen Rigorismus und Ehrbegriff auszustellen, öffnet sich vor einem Sichtfenster ein Vorhang und der brav aufgereihte Ratinger Kinder- und Jugendchor singt aus vollen Kehlen deutsches Volksgut, das selbstverständlich als ideologisch kontaminiert verhöhnt wird. Drittens: Kassierer Leonhard, Klaras schurkischer Verlobter, der sie für eine bessere Partie sitzen lässt, hat sich als Businessmann vor der Silhouette des Düsseldorfer Medienhafens in seinem kapitalistisch verchromten Unwesen eingerichtet. Viertens: Wenn Klara in den Untergang geht und zuvor ihre vier Männer – Bruder, Vater, Verführer, wahrhaft Geliebten – mit einem Jesuskuss verabschiedet hatte, zückt sie das Messer und schneidet den Kerlen die Kehle durch. Doch bleibt die emanzipatorisch rigorose Tat nur ein Wunschbild. Flugs sind die Herren der Schöpfung wieder auf den Beinen, und Klara gibt sich den Rest.
Figuren und Darsteller sind dieser Totschlagmethode entsprechend schnell abgetan: der Gerichtsdiener randaliert; Leonhard maskiert sich aasig und liefert eine Einlage in Faschingsfrohsinn. Klara muss wiederholungszwanghaft die Opferrolle spielen, ihr Jugendfreund Propaganda für sein eigenes läppisches Versagen machen. Klaras Bruder Karl trägt den Trotzkopf, Vater Anton gnadenlos aufrecht seine Gesinnung und sein bald dahingeschiedenes Eheweib kurioserweise die Gestalt eines viktorianischen Schlossgespenstes. Der so »kritisch befragte« Biedersinn wird freilich übertroffen von der großspurigen, schlaumeiernden Biederkeit der angewendeten inszenatorischen Mittel. // AWI