// In den siebziger Jahren waren die Reportagemagazine voll davon: lange bildgewaltige Strecken des versauernden Waldes in Deutschland. Fast dreißig Jahre später werden kritische Fragen laut, ob das Phänomen mitsamt der einträglich zu vermarktenden Panik damals vielleicht doch ein wenig hochgespielt wurde. Immerhin, der Wald ist noch da. Über die Realität des Klimawandels, der gegenwärtig alle beschäftigt, mag man sich in der Zukunft vielleicht ähnlich streiten, doch augenblicklich ist es das heißeste Phänomen der Stunde, das jede Menge Leute auf den Plan ruft, die mitreden und mitverdienen wollen.
Es schien längst überfällig, dass das Thema in der bildenden Kunst auftaucht, mag man sich denken. Alle anderen waren bereits schneller: das Kino vorneweg mit Roland Emmerichs ökologisch verbrämtem Umwelt-Thriller »The Day After Tomorrow« von 2004. Bereits vor drei Jahren gab es die erste »grüne« Ausgabe der amerikanischen Vanity Fair, und heute flattern täglich neue »Climate Causes« auf Facebook ins Haus, wo immer mal wieder jemand einlädt, ans Klima zu denken. Grün ist die Farbe der Stunde, und jeder will mitmachen. Kaum ein Promi, der nicht grün denkt und ein Hybrid-Auto fährt, wenn der Privatjet gerade nicht gebraucht wird. In der deutschen Lifestyle-Presse stapeln sich Schlagworte wie »Lohas«, »Sustainable Lifestyle«, Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit. Das Verringern des »Carbon Footprint«, der persönlich verursachten CO2-Belastung, ist längst erste Bürgerpflicht, egal, ob man diesen überhaupt objektiv ermitteln kann. Die Bild-Zeitung brachte es 2007, nach Veröffentlichung des UNO-Klimaberichtes, auf den Punkt: »Unser Planet stirbt«.
Höchste Zeit für die Künste, etwas zum neuen Modethema zu sagen. Nun tauchen in letzter Zeit Bücher, künstlerische Positionen und aktuell eine erste Ausstellung mit dem Schlagwort »Klimawandel« im Titel auf. Zeit, einen Blick auf das Phänomen zu werfen. Doch empfiehlt es sich, anstatt beruhigt zu nicken und sich auf Erbauliches zu freuen, gerade hier misstrauisch zu bleiben. Wenn die Kunst dezidiert politisch sein will, heißt es aus mehreren Gründen aufmerken: Hat da nicht nur ein findiger Kurator den Finger am Puls der Zeit gehabt? Ist die Anpassung an den Trend der goldene Weg des Künstlers heraus aus der grassierenden Kunstmarktkrise? Ist »Klimawandel« nur ein weiteres Schlagwort, welches sich so beliebig füllen lässt wie vor ein paar Jahren das Shopping oder gegenwärtig Darwin?
»Moralische Fantasien« heißt, in Anlehnung an den Sozialphilosophen und Gründer der Anti-Atom-Bewegung, Günther Anders, eine Gruppenausstellung in Leverkusen. Die von Dorothee Messmer und Raimar Stange zuerst für das Kunstmuseum Thurgau kuratierte Schau, die Stefanie Kreuzer nun ins Museum Morsbroich eingeladen hat, scheint bereits im Ausstellungstitel die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen, um diese sofort auf gelungenste zu enttäuschen. Zu gut gewählt sind die dreiundzwanzig internationalen Positionen, die eben nicht auf vorhersehbare Erbauung setzen, auch wenn die üblichen Verdächtigen in der Künstlerliste dies zunächst vermuten lassen könnten. Olafur Eliasson, Jonathan Horowitz, Tue Greenfort, Olaf Nicolai, Rirkrit Tiravanija, alle, die heutzutage mit Gewissen Kunst machen, sind dabei. Doch sind viele vertreten mit Statements, die überraschen, und mit Arbeiten, die man so eben noch nicht tausendfach woanders gesehen hat.
Tue Greenfort zeigt in »Plant Oil Circulation – After Hans Haacke 1969« einen geschlossenen Kreislauf und reflektiert damit über utopische Phantasien von Abschottung, Autarkie und Selbstbezogenheit im künstlerischen Diskurs, die über das Sujet »Klimawandel« weit hinausgehen. Gleichzeitig führt seine Arbeit praktisches Recycling vor; zirkuliert in den auf dem Boden ausgelegten Schläuchen doch Pflanzenöl, das er bereits zuvor in einem anderen Projekt zum Antrieb von Bussen verwendet hatte.
Dass die Beschäftigung mit Klima allerdings nicht neu ist, führt eindrücklich der 1978 verstorbene US-amerikanische Konzeptkünstler Gordon Matta-Clark mit »Fresh Air Cart« von 1972 vor: mitten im New Yorker Verkehrschaos lud er Passanten ein, in aller Ruhe einen ordentlichen Schluck aus der Sauerstoff-Flasche zu nehmen. Dagegen nimmt sich Rirkrit Tiravanijas Aktion »Less Oil More Courage« einigermaßen banal aus: Auf T-Shirts gedruckt, soll die Botschaft von den Ausstellungsbesuchern in die Welt hinaus getragen werden.
Vielleicht ist aber auch die krass-kuriose Lösung von Mark Staff Brandl der Dringlichkeit der Klima-Situation angemessen, die dieser in der mit einem Springer-Blatt durchaus zu verwechselnden Postille »Bald« vorschlägt: »Abkühlung durch nuklearen Winter: gezielter Atomschlag könnte langfristige Lösung bringen!«
So polemisch Ansätze wie diese sind, sie sind doch vielschichtig, reflektiert und dadurch vielleicht wirksam, wenn man Kunst überhaupt eine direkte Wirksamkeit zugestehen möchte. Was die Arbeiten nicht leisten können, ist die von Günther Anders geforderte »Moralische Fantasie« zu installieren, mit Hilfe derer die Menschheit ihre »Apokalypseblindheit« und »Unfähigkeit zur Angst« überwinden möge. Als Utopie verstanden, bildet diese immerhin bereits Mitte der fünfziger Jahre formulierte Forderung jedoch die Folie, vor der sich die Kunstwerke konsequent entfalten und durchaus den ein oder anderen neuen Gedanken befördern könnten.
Am anderen Ende der Betroffenheitsskala operiert der von der Journalistin Nadine Barth herausgegebene Fotoband »Verschwindende Landschaften«. Ein ähnlich raunender Titel wie in der Leverkusener Ausstellung, doch bleibt die positive Überraschung in diesem Fall aus. Ausgerechnet die Zeitschrift Capital textet maximal betreten zum Produkt: »Gestein, zerklüftet und geformt in Millionen von Jahren und Pflanzen, zart und verletzlich. Der Bildband stimmt melancholisch. Es ist ein Abschiedsgruß.«
In dem dicken Buch werden sowohl die Schönheit des Dargestellten als auch die Beliebigkeit dessen, was zum Thema aufgeboten wird, zum Problem. Schöne Bilder verführen vielleicht das Auge, aber mehr auch nicht, auch wenn die Herausgeberin Barth hofft, dass die »Anschauung des Schönen ein Bedürfnis nach Handlung« generieren möge. So gesellt sich hier alles zueinander, was zwischen zwei Buchdeckel passt und irgendwie eben noch mit dem Gegenstand zu tun hat. Von der Struffsky-Garde über Hiroshi Sugimotos »Seascapes« bis zu Giovanni Castells „Nachtlandschaften« ist der Bogen aber doch arg weit gespannt. Der edel aufgemachte Bilderreigen bleibt letztlich beliebig. »Verschwindende Landschaften« ist ein Coffee-Table-Buch, dessen übergestülpter Aktivismus ärgerlich stimmt. Olaf Otto Beckers etwa fotografierte an der Antarktis, wo er per GPS seinen exakten Standort festhält, und fordert künftige Betrachter auf, nachzuschauen, was aus den Orten geworden ist. Was für Herr und Frau Normalverbraucher einigermaßen schwierig werden dürfte.
Der Klimawandel ist da. Oder? Vielleicht ist er auch nur unsere aktuellste Phantasie; der Spiegel, in dem sich die Ängste der Welt jetzt gerade brechen. Ein Phantasma-Komplex, der den kaum zu erfassenden wirklichen Ereignissen mit einer Fülle von Symptomen von Untergangsszenarien, über Panik bis Flucht begegnet. Und eben auch eine Fülle bildkünstlerisch-ästhetischer Thesen und Antworten generiert. Eine Ausstellung wie die in Morsbroich zeigt Wege auf, intelligent über unsere »Moralischen Fantasien« zum Klimawandel nachzudenken und bietet dazu Bilder und Filme, die nicht bloß auf simple Verführung und Berührung setzen, sondern auch im Abwegigen, Absurden und auch Komischen ein probates Gegengift zum passiven Moralisieren suchen. Glücklicherweise sind diese kuratierten »Moralischen Fantasien« wenig moralinsauer, sondern subversiv. Don‘t trust the hype – auch wenn es sich um so ein großes Ding wie den Klimawandel handelt. //
Museum Morsbroich, Leverkusen, bis 26. April 2009; www.museum-morsbroich.de; Katalog: Verlag für Moderne Kunst, Nürnberg, 24 Euro; Nadine Barth, Verschwindende Landschaften, Dumont, Köln, 49,90 Euro.