REZENSION ANDREAS WILINK
Dass der Film mit Kampfszenen in Vietnam, 1966, einsetzt, hätte nicht sein müssen. Er hätte es sich auch gemütlich machen können in den Redaktionsbüros, News Rooms und komfortablen Häusern des Personals aus den Chefetagen und Machtzentralen von Publizistik und Politik. Aber Steven Spielberg, der Regisseur des »Soldaten James Ryan«, wollte zeigen, was der Krieg an Leben und Leiden kostet und ihn nicht nur als schriftlichen Report von 4000 Seiten auf den Tisch legen. Papier blutet nicht.
In Washington D.C. und in New York des Jahres 1971 tut sich »ein Abgrund an Landesverrat« auf, wie ihn Bundeskanzler Adenauer gewähnt hatte, als es um die Spiegel-Affäre ging. So ähnlich dürften es die Administration im Weißen Haus und vor allem der feindselige, rachsüchtige und skrupellose Richard Nixon gesehen haben, als zunächst der renommierten New York Times geheime Unterlagen zugespielt werden und diese sie veröffentlicht.
Die »Pentagon Papers« belegen, dass und wie mehrere US-Präsidenten die Wahrheit über den Vietnam-Krieg, vom Eintritt bis zur begründeten Erwartung, ihn zu verlieren, verschwiegen und wissentlich gelogen haben. Der Versuch, die Journalisten mundtot zu machen, scheitert, als die Konkurrenten und Kollegen der Washington Post ihrerseits wagen, das belastende Material zu präsentieren. In der Konsequenz wird der Freedom of Information Act die Rechte der Presse stärken.
Klassisch erzählt und darin mehr noch orientiert an Frank Capra, als an dem späteren Sidney Lumet und Sydney Pollack, die ihre Geschichten erzählten, als sie auch spielten: den Siebzigern, ist »The Post« perfektes, moralisch veredeltes Kino. Es feiert Loyalität, Integrität, Unabhängigkeit, den politischen Auftrag und gesellschaftliche Verantwortung. Allerdings bekommt Spielberg die Balance zwischen dem Scoop um die Pentagon Papers und der Biografie der Titelheldin und ihrer heiklen Rolle nicht richtig hin. Eine honorigere Besetzung lässt sich nicht finden: Tom Hanks als Chefredakteur Ben Bradlee schaut mittlerweile so knorrig aus wie Karl Malden. Meryl Streep ist die Verlegerin Katharine Graham, die ihr Unternehmen an die Börse führt, profitorientiert und qualitätsbewusst denkt, und die Entscheidung treffen muss, ihre persönliche Freundschaft zu Verteidigungsminister McNamara (Bruce Greenwood) gegen ihr Ethos aufzuwiegen, um Schaden vom Volk abzuwenden.
»Die Verlegerin«; Regie: Steven Spielberg; USA 2017; 115 Min.; Start: 22. Februar