TEXT: GUIDO FISCHER
Dass sich östlich der Musikmetropole Wien schon immer blühende Klanglandschaften befunden haben, weiß man spätestens seit dem 19. Jahrhundert. Aus Böhmen stammt dochn Antonín Dvořák; in Russland bewarben sich die Glinka, Mussorgsky und Tschaikowsky um die Krone als Nationalkomponist. Doch wie klang Osteuropa vor dem Goldenen Zeitalter? Auf Spurensuche, die ebenfalls nach Siebenbürgen und Pressburg führt, begeben sich die Herner Tage Alter Musik.
Wie zuvor bei ihren anderen 37 Ausgaben lernt man bei der 38. Konzertreihe Komponisten kennen, die nur musikwissenschaftlichen Experten ein Begriff gewesen sind. So präsentiert der lettische Chor Cantores Rigensis polyphone Vokalstücke aus dem 16. Jahrhundert, die Martinus Crusius und Paulus Bucenus Philorodus für den Dom zu Riga geschrieben haben. Das ungarische Barockensemble Musica Profana öffnet eine frühbarocke Noten-Schatulle mit Werken von u.a. Orazio Tarditi, Heinrich Schütz und Lodovico Viadana, die einst ein rumänischer Franziskanermönch angelegt hatte. Balász Szokolay Dongó spielt auf dem Dudelsack gemeinsam mit dem Zither-Paganini Mátyás Bolya Musik aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, bei der sich im einstigen Pannonien auch Bauersleute zu amüsieren verstanden.
Das Programm enthält aber nicht nur Geheimtipps. Es gastiert das von Václav Luks geleitete, mit Lob überhäufte Collegium Vocale 1704 mit dem »Melodrama de Sancto Wenceslao«, das der damals berühmteste böhmische Komponist Jan Dismas Zelenka 1723 anlässlich einer Königskrönung geschrieben hat. Mit dem Hammerflügelspezialisten Janusz Olejniczak und dem Ellenai Quartet geht es ins Warschau des frühen 19. Jahrhunderts. Von einem gewissen Fryderyk Szopen werden dessen beide Klavierkonzerte in einer Kammermusikfassung gespielt. Fryderyk Szopen? Nie gehört? Doch! So schrieb sich Frédéric Chopin, bevor er nach Paris ging.
Tage Alter Musik, Herne, 14. bis 17. November 2013; www.tage-alter-musik.de