TEXT STEFAN LAURIN
Eine Bank und dahinter, in einem Metallkasten, eine zwei Mal sieben Quadratmeter große Fläche Moos. Vor dem Nordausgang des Essener Hauptbahnhofs wirkt der City Tree des Berliner Unternehmens Green Solution etwas verloren. Dabei ist das Design ansprechend, der City Tree würde an einer weniger heruntergekommenen Stelle der Stadt besser wirken, aber da die Deutsche Bahn zu den Sponsoren gehört, blieb als Standort nur ein Bahnhof – die sehen in Essen alle gleich aus, eine Art Katastrophengebiet.
Die Mooswand des Unternehmens soll so viel Dreck filtern wie 275 Bäume. Moose bilden auf kompaktem Raum mit ihrer Struktur eine sehr große Fläche – kein Trick, sondern reine Natur. Im Labor wurde das nachgewiesen, im Freiland noch nicht. Das Unternehmen verkauft den City Tree als Möglichkeit, die Luft in den Städten sauberer zu machen. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) hat da Bedenken. Es untersteht dem Noch-Umweltminister Johannes Remmel, der im Zweifel für ein Verbot an Stelle einer pragmatischen Lösung war und wohl auch deswegen abgewählt wurde.
In Berlin ist man da offener. Dort ist die von den Grünen vorgeschlagene parteilose Regine Günther Umweltsenatorin. Es sei »durchaus eine interessante Technik, die hilft, Feinstaube und Stickoxyde etwas aus der Luft zu nehmen, die gleichzeitig stadtklimatische Vorteile hat und auch durch die Stadtbegrünung hier und da zum besseren Stadtbild beiträgt«, sagte der Sprecher der Umweltverwaltung, Martin Lutz, dem Radio Berlin Brandenburg. Und zeigt sich offen, sie einzusetzen.
Auch Stuttgarts grüner Oberbürgermeister Fritz Kuhn setzt auf Moos und ließ an einer besonders belasteten Straße eine 100 Meter lange Moos-Mauer errichten. Sind diese Barrieren die Lösung der Probleme mit dicker Luft in den belasteten Innenstädten? Sicher nicht. Aber sie sind ein interessanter, angenehm sachlicher Ansatz: Es gibt ein Problem, das man mit technischen Mitteln in den Griff zu bekommen sucht. Oder es zumindest mindert. Dass Pflanzen sich positiv auf die Qualität der Luft auswirken, ist keine neue Erkenntnis: Schon in den 1920er Jahren begann der Vorläufer des Regionalverbands Ruhr (RVR), der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, im Ruhrgebiet Bahndämme und Straßen zu begrünen. Die Luft in den Industriestädten sollte sich verbessern, Lebensqualität gesteigert werden. Hat beides geklappt, auch weil es kein LANUV gab, das mahnend den – grünen – Zeigefinger hob.