Ihre Stimme? Zum Niederknien! Das jedenfalls schrieb einmal die »F.A.Z.« über Anna Lucia Richter und ihren leuchtenden Sopran. Auch mit dieser Geste darf nun das Kölner Philharmonie-Publikum die große Kunst der in Basel und Köln ausgebildeten Sängerin feiern. Denn am 9. Juni ist es endlich so weit: Nachdem fast auf den Abend genau vor drei Monaten auch die Kölner Philharmonie ihre Pforten Corona-bedingt schließen musste, beendet Richter mit ihrem Liederabend jetzt die Zeit ohne Klassikkonzerte. An ihrer Seite sitzt mit Gerald Huber einer ihrer absoluten Helden unter den Liedklavier-Begleitern. Seit 2014 arbeiten die beiden zusammen. Mit ihm feierte die Kölnerin in jenem Jahr ihr New Yorker Debüt – wobei die »New York Times« speziell von der Hugo-Wolf-Interpretin Richter schwärmte, von ihrer ungemein ausbalancierten und trotzdem klar fokussierten Stimme. Ausgewählte Lieder von Wolf stehen nun neben Schubert und Mahler auf dem Programm eines Konzerts, bei dem das hartnäckige Virus trotz aller Lockerungsmaßnahmen die Veranstaltungs-Regie führt. Denn um kein Risiko einzugehen, findet der Abend nach einem strengen Hygiene- und Einlasskonzept statt. Um den weiterhin notwendigen Abstand zwischen den Besuchern zu gewähren, kommen zunächst einige Hundert Abonnenten in den Genuss.
Beethoven aus zeitgenössischer Klang-Perspektive
Weiter geht es mit Konzerten im Juni, bei denen die vier großen Kölner Sinfonieorchester erstmals wieder live aufspielen. Zuvor aber, am 10. Juni, gehört das Kölner Podium dem seit 1994 existierenden Signum Quartett. Neben Schubert-Liedern im Arrangement für Streichquartett sowie dem epochalen 1. Streichquartett, das der Tscheche Leoš Janáček 1923 nach der Erzählung »Die Kreutzersonate« von Tolstoj schrieb, kommt noch ein ganz neues Opus für vier Streicher zur Uraufführung. Für das philharmonische »non bthvn projekt«, bei dem der 2020-Jubilar Beethoven aus zeitgenössischer Klang-Perspektive beleuchtet wird, hat York Höller sein nunmehr 3. Streichquartett komponiert.
Auch beim Klavierabend von Alexander Melnikov steht eine neue »non bthvn projekt«-Komposition an. »Sono Solo« lautet das Stück, das aus der Feder des kanadischen Supervirtuosen Marc-André Hamelin stammt. Eine »erstrangige Begabung« hatte einst der russische Jahrhundertpianist Svjatoslav Richter seinem jungen Landmann Melnikov attestiert. Seitdem ist aus dem Talent längst einer der spannendsten Pianisten der Gegenwart geworden. Die musikalischen Interessen des begeisterten Hobbypiloten reichen da von der historischen Aufführungspraxis bis zur Kammermusik. Auf einem modernen Flügel widmet er sich aber jetzt – in zwei Konzerten an einem Abend, am 22. Juni um 18 und um 21 Uhr – den herrlich rhapsodischen Fantasien von Brahms sowie der Klangfarben-Palette in Debussys 2. Heft seiner Préludes.
Weltklasse-Pianistik sowie kurzweilige bis anspruchsvolle Orchesterliteratur sind zudem in den Auftritten der vier Kölner Klangkörper zu erwarten (natürlich auch hier vor eher reduziertem Publikum). Cristian Măcelaru (unser Porträt über ihn lesen Sie hier) leitet am 18. und 19. Juni sein WDR Sinfonieorchester sowie Werke von Wagner, Respighi und Jacques Ibert. Am 21. Juni gibt sich das Gürzenich-Orchester Köln unter seinem Chef François-Xavier Roth die Ehre – auch virtuell, denn die Philharmonie sendet das Konzert auch über ihren Streaming-Kanal. Am 27. Juni tritt die russische Meisterpianistin Elena Bashkirova mit dem Kölner Kammerorchester auf. Und am Ende des Monats, am 28. Juni, ist es der englische Star-Dirigent Daniel Harding, der mit dem Gürzenich-Orchester musizieren wird – ja, vielleicht wirklich zum Saisonausklang das letzte Mal unter verschärften Corona-Bedingungen.