Die Männer sind alle Verbrecher. Ist dies also ein Frauenfilm? Zumindest ein Film über den Geschlechterkampf. Aber er geht nicht Frau gegen Frau, sondern Frau gegen Frau, die sich als Mann versteht – verstehen muss. Maria gegen Elisabeth, die Katholische gegen die Protestantin, Mutter gegen Mutterlose, Ehefrau und Witwe gegen die Jungfräuliche, die Emotionale gegen die Rationale. Letzterer Gegensatz aber gilt nicht in Josie Rourkes Film über die Königin von Schottland, die, fast ein Kind noch, Königin Frankreichs war und Erbanspruch besaß aufs Englands Thron.
Die Erzählung des prachtvollen, über-üppig instrumentierten Historiendramas, das es mit dem Historischen so wenig genau nimmt wie mit der damaligen Mode und das machtpolitische, dynastische und diplomatische Optionen und Ränke wie nebenher abhandelt, begreift beide Frauen aus dem Defizit heraus, das sie kompensieren müssen. Beide sind große Einsame, mit unterschiedlicher Strategie. In dem Film wird, wie in Schillers Schauspiel, eine Begegnung der Königinnen, der scheinbar Freien und der stolzen Bittstellerin, imaginiert: inszeniert zwischen wehenden Tüchern und beinahe wie ein Traumspuk.
Die gegenüber ihrer Rivalin um ein Jahrzehnt jüngere Maria (Saoirse Ronan) erscheint als – wenn auch kühnes, selbstbewusstes – Opfer, die sich im rüden Schottland gegen die Strenggläubigen um den Fanatiker John Knox, ihren Halbbruder James, die herrischen Lords zu erwehren hat, sich einen schwachen glatten Gatten nimmt, Henry Darnley (hier als Homosexueller porträtiert), und, nach dessen Ermordung, von dem finsteren Bothwell – einem schottischen Hagen von Tronje – gewaltsam geehelicht wird. Als sie in England Schutz sucht vor dem Aufstand gegen sie, wird ihr das Asyl zum Verhängnis. Mit ihrer Enthauptung 1587 auf dem Richtblock beginnt und endet der Film.
Schnitt. Gegenschnitt: Blick, Hals, Gesicht. Der Todesgang zum Schafott der einen eröffnet den Lebensweg in die Allein-Herrschaft für die Andere. Immer wieder sind die Ladies nur einen Cut voneinander entfernt. Elisabeth (Margot Robbie) aber ist nicht weniger Opfer: nicht Gestalterin, sondern Getriebene, von ihren Gefühlen gequält, von den Blattern entstellt und zur Larve gefroren. In einer Szene sehen wir sie im Pferdestall beim Betrachten eines Fohlens. Den Schatten, den ihre Gestalt wirft, stopft sie aus mit einem Tuch, das sie sich vor den Bauch hält: So sieht es aus, schwanger zu sein. Herz reagiert vor Staat.
Eindrücklicher als alle Fakten und Fantasien ist, in Londons British Museum die Präsentation der Briefe der einen wie der anderen nebeneinander liegen zu sehen: der Königinnen, die nicht beide in einem Leben und in einem Land zu leben vermochten.
„Maria Stuart“, Regie: Josie Rourke, UK 2019, 125 Min., Start: 17. Januar 2019