„Beautiful Boy“ nimmt den Weg ins Offene der Zukunft. Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Vater und Sohn ringen in dem Sucht-Drama miteinander. Nic kehrt aus der Entzugsklinik zurück, in eine harmonische Familie, die aus einer neuen Ehepartnerin für seinen Dad David (Steve Carell) und jüngeren Geschwistern von Nic besteht.
„Kenne deine Feinde“ und „Traue dem Süchtigen niemals“ sind die Leitsätze, nach denen der Kampf gegen die Droge – vielleicht – zu gewinnen ist. Im extremen Kurvenverlauf reihen sich die Stationen, wenn Nic sich zum eigenständigen, selbstbestimmten Leben entschließt und man es ihm vertrauensvoll gewährt: College, Literaturstudium, Liebesbeziehung. Mal geht es besser (Jazz begleitet die guten Momente), mal viel schlechter (jaulend psychedelischer Sound die schlimmen). Tage zwischen Sunrise und Sunset.
Dann Rückfall, Wiederaufstehen, neuerlich die Droge, Abstürze, Halteversuche, Betteln und Fluchen, die Katastrophe, die Versuchung und das Ihr-Nachgeben. „Rückfälle gehören zur Genesung“, sagt eine Ärztin. Die Gegenkräfte sind stark.
Der bezaubernde Timothée Chalamet ist ein Hochglanz-Crystal-Meth-Junkie, der mit dem Gefühl der Entfremdung, der absoluten inneren Leere und Isolation, auch dem der Scham kämpft, das ihn ebenfalls wieder anfällig macht für den Wunsch, sich aus der Welt zu schießen. Um all die „stupid things“ des Alltags, die Gewohnheiten, Routinen, das Mittelmaß, das Ordentliche und Gefällige auszuhalten oder zu vergessen. Schließlich ist es nicht mal mehr ein Genuss, das Zeug zu nehmen. Nic weiß, dass danach wieder die Hölle auf ihn wartet.
Sein Ausspielen der Emotionen manövriert „Beautiful Boy“ des Belgiers Felix van Groeningen bei dessen englischsprachigem Debüt zurück ins klassische Hollywood. Jedoch ist das Eskalations-Schema psychologisch beglaubigt, wenn sich einander widerstrebende Haltungen und Handlungen sortieren, wenn bei Nic Zerknirschtheit und verschlagene Raffinesse, dem Vater Schuld anzulasten, Betrug und Selbstbetrug, Lügen und Glaubenssätze zusammenspielen.
Der Abhängige ist nicht anders, als der psychisch Kranke. Es liegt eine große Melancholie über der Einsicht, wie hilflos und ratlos gerade die Nächsten und Liebenden sind. Man kann nichts tun, außer da zu sein.