Eine kleine Verschiebung der Namen. Aber wir hören das Original der beiden ersten Menschen mit: Aus dem alten Adam wurde ein neuer Adam, aus Eva die flottere Evelyn. Neue Menschen müssen sie auch werden. Oder Menschen in neuer Umgebung. Das Radio sendet Nachrichten in die ostdeutsche Provinz und die paradiesische Stille eines Sommergartens. Es tut sich was in Prag. Die Wende steht bevor. Der erste Satz in dem Film nach dem Roman von Ingo Schulze wird als Frage gesellt: „Adam, wo bist du?“.
Adam ist Damenschneider und zieht gern Frauen schön an, macht sie schön. Erotische Nähe auf Nadel-Abstand. Was Evelyn (Anne Kanis) nicht gefällt. Es kommt zur Krise. Sie verreist mit einem Freundespaar – er aus dem Westen – nach Ungarn an den Plattensee, Adam fährt mit seinem Wartburg hinterher und liest unterwegs eine trampende junge Frau auf. Manches in dem späten Spielfilm-Debüt des 1964 in Ost-Berlin geborenen Dokumentaristen Andreas Goldstein erinnert an den frühen Wenders, die Ruhe der Bilder, lange Einstellungen, das Verweilen bei den Erscheinungen der Natur, sparsame Dialoge, das geduldige und genaue Beobachten.
Es geht um das, worauf der Blick fällt, ob dem Augenschein zu trauen ist, was die Sicht verstellt. Adam (Florian Teichtmeister), der eigentlich Lutz heißt, sagt: „Ich sehe immer was Anderes, dafür muss ich nicht mal den Garten verlassen“, als der Westdeutsche aus Hamburg von New York und Rio redet und glaubt, in dem Um-die-Welt-Reisen sei bereits Erfahrung eingeschlossen. Als Zellbiologe träumt er noch davon, den Tod zu überwinden und „die Unsterblichkeit in den Griff zu kriegen“. Flausen. Hybris. Ideologie des Gelingens. Adam hingegen hat sich in seiner Abkehr von äußeren Umständen eingerichtet, als habe er seinen seelischen Personalausweis abgegeben. Spätgeburt deutsch-romantischer Innerlichkeit und Abwesenheit.
Aus der großen Weltgeschichte, dem Ende der DDR, präpariert sich individuelles Schicksal. Wie wenn aus einer reich besetzten Sinfonie die Melodie für ein Kammerquartett herausgearbeitet wird. Wenige Worte werden gewechselt, die aber sind essentiell. Sie unterspielen, trumpfen nicht auf mit Bedeutung. „Schulze schreibt Sätze, die wie Stecknadeln durch mehrere Schichten gehen“, sagt Goldstein. Zwei Gesichter, zwei Menschen genügen, die die Erosion ihres Landes von außen wahrnehmen und über Österreich in die Bundesrepublik reisen und sich im fremden Deutschland einrichten. Es bedarf keiner Staatsaffäre.
„Adam und Evelyn“ ist ein wunderbar feinsinniger Film, leicht, träumerisch und traurig. Wie er eine Grenzerfahrung schildert, einen Aufbruch einleitet, von Heimat, Verlust, Trennung, Abschied erzählt, hat eine tief anrührende, sich still behauptende Kraft.