TEXT: REGINE MÜLLER
»Die Welt muss romantisiert werden«, forderte Novalis, der geheimnisvollste unter den Dichtern der Romantik. Nur so fände man ihren ursprünglichen Sinn wieder, erklärt er in den »Fragmenten« sein vieldeutiges Konzept.
»Romantisiere Dich!« lautet entsprechend die markige Überschrift des Düsseldorfer Schumannfestes, die sich mehr als Beschwörungsformel denn als Motto liest. Das Cover des Festival-Magazins spielt mit einer ins Gegenwärtige übersetzten Ikone der romantischen Malerei: Caspar David Friedrichs »Wanderer über dem Nebelmeer« im Gehrock blickt nicht in verhangene Bergtäler, sondern vom Parkhausdach aufs Düsseldorfer Dreischeibenhaus. Wenigstens übersieht er die Schlünde der U-Bahn-Baustelle.
Alle zwei Jahre feiert die Landeshauptstadt den Komponisten, der am Rhein letzte produktive Jahre verbrachte. Nach dem Jubiläumsjahr 2010, in dem Schumann mit der Aufführung sämtlicher Werke gewürdigt wurde, fällt das Festival nun bescheidener, konzentrierter, insgesamt auch deutlich experimenteller aus. Die neu formierte Leitung setzt auf Schumann als Freidenker und Innovator, weniger auf repräsentativ kulinarische Darreichungsformen, vielmehr auf ungewöhnliche Aufführungskonzepte und aktuelle Klangadaptionen. Künstler wurden beauftragt, eigens konzipierte Programme zu entwerfen, die nur so und hier zu erleben sind.
Den Oberbegriff »Creationen« hat man sich bei der Ruhrtriennale ausgeliehen, freilich enger gefasst, denn im Zentrum der Experimente steht stets das eine Werk. Die paradoxe Formel dafür: Immer auf Schumanns Spuren, aber immer auch ein wenig »neben der Spur«.
Dennoch verzichtet man nicht auf große Namen der Klassik-Szene. Die zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker geben sich mit dem Programm »Der Dichter spricht« die Ehre und musizieren Schumann, Mendelssohn Bartholdy und Brahms nebst Nino Rota und Astor Piazzolla. Als Hommage an die Niederrheinischen Musikfeste bringt der Auftakt-Marathon eine »Transatlantische Festouvertüre«: mit dabei das Emerson String Quartet, der amerikanische Star-Pianist Tzimon Barto, der Ausnahme-Perkussionist Martin Grubinger und die Camerata Salzburg unter Ariel Zuckermann.
Garantiert schräg wird es, wenn der Düsseldorfer Pianist und Komponist Hauschka mit Instrumentalisten und der New Yorker Singer-Songwriterin Shara Worden in der Tonhalle »Off-Schumann-Visionen« serviert. »Classicjazz« verspricht die Begegnung des Bundesjazzorchesters unter Jiggs Wigham mit dem baltischen Orchestersound des Baltic Youth Philharmonic unter Kristian Järvi, Sproß der berühmten estnischen Dirigenten-Dynastie.
Das pianistische Schwestern-Duo Katia und Marielle Labèque ist zweifach vertreten: mit Schumanns »Karneval« und Kinderstücken, Rufus Beck übernimmt die Sprecherrolle, Mitglieder der Düsseldorfer Symphoniker unterstützen instrumental, das Junge Ensemble am tanzhaus NRW sorgt für Bewegung. Während das die Jugend animieren soll, ist der Labèque-Auftritt generationenumfassend, wenn Tal Rosner Werke von Strawinsky und Debussy per Video visualisiert. Unter dem Titel »Fantasiestücke« lässt sich erlesene Kammermusik hören: Die Geschwister Carolin und Jörg Widmann werden begleitet von Dénes Várjon am Klavier.
Die Brücke zum Populären schlagen mehrere Konzerte: etwa »Help! Beatles & Schumann« mit einer Suite nach Schumann-Liedern und Beatles-Klassikern sowie das Duo Igudesman & Joo, das »A little Nightmare Music« als wirbelnde Klassik-Comedy-Show verspricht. Wenn Schumann das hören könnte …
Schumannfest: 24. Mai bis 4. Juni 2012. www.schumannfest-duesseldorf.de