Die Choreografin Eszter Salamon zeigt ihre berührende Performance »Mothers & Daughters« bei PACT Zollverein. Dreimal treffen in Essen Mutter und Tochter zusammen – im Tanz.
In völliger Stille sitzen sie dort aneinandergeschmiegt, die Tochter lehnt sich an die Schulter der Mutter, die Mutter legt ihren Kopf in den Schoß der Tochter. Langsam, sehr langsam bewegen sie sich. Die Hand der einen streift über das Bein der anderen. Dann berühren sich ihre Köpfe, sie schauen sich in die Augen. Zärtlich und mit viel Zeit. Wie schon in »M/Others« fordert die ungarische Choreografin Eszter Salamon ihre Mutter, die Tanzlehrerin Erzsébet Gyarmati, zum Tanz auf. Das Duett damals entstand 2019. Jetzt führt sie die Arbeit mit zwei weiteren Mutter-Tochter-Begegnungen weiter. Am 25. und 26. April ist die zweistündige Performance »Mothers & Daughters« bei PACT Zollverein in Essen zu sehen.
Sezierender Blick
Eszter Salamon ist eine Körperforscherin. Ihr sezierender Blick ist dabei aber von innen nach außen gerichtet. Immer wieder stellt sie die Frage nach dem »Was sonst«? Was sonst ist der Körper in der ihn umgebenden Welt? Ihre Aufführungsformaten variieren, mal erprobt sie in einer Art Lecture-Performance mit John Cage das Zufallsprinzip in der Bewegung (»Dance for Nothing«), mal beschreibt sie eine Welt ganz ohne materielle Körper als raumgreifende Masse in einer rauschhaften Irrfahrt durch krude Visionen (»Tales of the Bodiless«). Mal sammelt sie Klänge und Stimmen aus dem eigenen Produktionsarchiv und Kostümteile aus dem Fundus etlicher Theater und Opernhäuser und lässt ihre Tänzer*innen diese etwa 800 Kostüme präsentieren, als Ganzkörperverhüllte motivieren sie dann individuelle Erinnerungen (»Monument 0.10: The Living Monument«). Salamons Körper sind nie stumm, auch nicht als abwesende.
»Mothers & Daughters« ist wieder einer ihrer intimeren Abende. Die Duette – neben Salamon und Gyarmati sind das Sulekha Ali Omar und Safia Abdi Haase sowie Christine Nypan und Drude Haga – bewegen sich auf kleiner Fläche inmitten des Publikums. Die Paare tragen jeweils gleiche oder zumindest ähnliche Kleidung, die Ähnlichkeiten sind aber auch so sehr gut sichtbar und beeindruckend. Das eine Mutter-Tochter-Duo berührt sich inniger, das andere mit mehr Abstand. Mal verkeilen sie sich ineinander, mal berühren sich gerade mal die Füße. Salamons langsame Bewegungssprache lässt Raum und Zeit, um über die Nähe der Generationen nachzudenken, über Fürsorge und Loslassen, über Halt geben und gehalten werden.
Die Künstlerin, Choreografin und Performerin, die in Berlin und Paris lebt, beschreibt auf der Bühne zwischenmenschliche Beziehungen als radikale Orte des Widerstands. Feministische Genealogien und generationsübergreifende Beziehungen sind immer wieder Thema ihrer Arbeiten. Diesmal also erkundet sie das Mutter-Tochter-Verhältnis. Einfühlsam und poetisch.
»Mothers & Daughters«
25. und 26. April
PACT Zollverein