EINE GLOSSE VON ULRICH DEUTER
Das Drama in Wuppertal nimmt kein Ende, die Stadtspitze unter OB Peter Jung (CDU) schafft es einfach nicht, sich aus dem Würgegriff ihrer Kulturinstitutionen zu befreien. Wie die Schlangen den Laokoon umklammern Oper, Schauspiel und Museum den schmalen Geldbeutel der Stadt, um das letzte aus ihm herauszupressen. Zwar haben Jung und sein Kulturdezernent Matthias Nocke dem schlimmsten Würger, der Schauspielbestie, jetzt wieder ein Stück abschlagen können, aber der entscheidende tödliche Stoß blieb aus. Musik- und Sprechtheater konnten zwei Millionen Euro entrissen werden, von einem Drittel des Ensembles wird man sich befreien, dito vom Opern- und vom Schauspielintendanten – noch immer aber bleiben mindestens sieben, wenn nicht zehn Schauspieler übrig und werden mit Sicherheit das eine oder andere produzieren. Zwar ist es gelungen, die Mimenbande per kommender Spielzeit auch aus dem Foyer des Schauspielhauses, wohin man sie zurückgedrängt hatte, hinauszuwerfen. Aber selbst danach bekommen diese Leute noch eine Lagerhalle für ihr Treiben. Was ist los in Wuppertal?, fragten wir den Persönlichen Referenten des Oberbürgermeisters, Sven Glattfisch.
K.WEST: Schon mehrfach wurde uns in Wuppertal ein kultureller Kahlschlag versprochen. Nun wird wieder nichts draus. Warum gelingt das nicht?
GLATTFISCH: Oberbürgermeister Jung ist sicher, die Sache 2014 in den Griff zu kriegen, wenn Opernintendant Weigand und Schauspiel-Dings von Treskow endlich weg sind.
K.WEST: Aber auch danach wird in Wuppertal noch Theater gespielt. Hat Jung am Ende doch Sympathien für so etwas?
GLATTFISCH: Woher denn! Jung ist gelernter Bankkaufmann und Betriebswirt.
K.WEST: Warum übt er dann nicht seine Profession aus und wickelt ab, macht platt? Stattdessen kriegt das Schauspiel 2014 eine neue Bühne!
GLATTFISCH: Ja, eine Butze mit 20 Zuschauerplätzen! Das Ensemble verringern wir dann auf zwei. Und bezahlen tun das Ganze die Freunde und Förderer …
K.WEST: Sie wollen also damit sagen … Warum lachen Sie?
GLATTFISCH: Begreifen Sie doch: Die finanzieren ihre eigene Abschaffung! Wir sind stolz auf den Plan.
K.WEST: Weil, in so ein Schrumpftheater geht keiner mehr hin.
GLATTFISCH: Genau. Das Aus merkt keiner mehr.
K.WEST: Ihr Chef, Herr Jung, lässt sich aber mit der Erwartung zitieren, die neue Winzspielstätte werde »ein ganz besonderer Impuls für das Schauspiel sein«.
GLATTFISCH: Ja, der Banker-Zynismus ist dem OB leider nicht ganz auszutreiben.
K.WEST: Könnte Ihnen die öffentliche Meinung noch einen Strich durch die Rechnung machen? Bürgerproteste, Solidaritätsstreiks von Nachbarbühnen, ein scharfes Wort der Kulturministerin?
GLATTFISCH: Kann ich alles nicht erkennen. Verstehen Sie mich nicht falsch, wir haben den Tod Pina Bauschs sehr bedauert, aber es ist schon sehr hilfreich, dass sie jetzt nicht mehr…
K.WEST: Nun meinen ja manche, eine Großstadt ohne Kultur ist gar keine.
GLATTFISCH: Der OB und der Kämmerer, Herr Slawig, teilen diese unzeitgemäße Auffassung nicht. Aber in der Politik kann man nicht alles auf einmal erreichen. Sobald das Schauspiel weg ist, nehmen wir uns die Oper vor.
K.WEST: Und das Tanztheater Pina Bausch?
GLATTFISCH: Wir werden alles dafür tun, dass der Museumsbetrieb sich weiter entwickeln kann – Bausch läuft beim OB unter Tourismus. Familienmuseum, Kombiticket mit Schwebebahn und Zoo – so was schwebt ihm da vor. Deshalb soll ja auch das Von der Heydt aus seinem Gebäude raus und ins leerstehende Schauspielhaus umziehen. Damit das Bauschmuseum da rein kann.
K.WEST: Ist also was dran an den Gerüchten?
GLATTFISCH: Klar.
K.WEST: Aber das Schauspielhaus ist doch für ein Kunstmuseum völlig ungeeignet!
GLATTFISCH: Eben!
Kurz nach Redaktionsschluss erreicht uns aus dem Büro des Oberbürgermeisters der Stadt Wuppertal die Mitteilung, ein Persönlicher Referent mit Namen Glattfisch sei nicht bekannt. Wir bitten, dies zu berücksichtigen.