EINE GLOSSE VON ULRICH DEUTER
Auf der Redaktionssitzung, die wir neulich am Himmelfahrtstag und wie noch jede Redaktionssitzung bei Roberto abhielten, dem besten Italiener-Darsteller an der Ruhr, geriet unvermittelt die Rede auf den Papst. Und ob man sich über ihn lustig machen dürfe. Jens Eitig, Ressortchef Christ- und Antichristliches, nämlich versteht es treffend, die weinerlich-näselnde Stimme, den tapsenden Gang sowie die scheinheilige Demut im Gesichtsausdruck Benedikts zu imitieren. Bei der Darbietung lachten sämtliche anwesenden Redakteure, Quoten-Redakteurinnen, Star-Reporter und ihre Praktikantinnen so lange, bis ein Glas umfiel. »Satire darf alles«, hörte man noch Harald Sch. kundtun, unseren neuen Redaktionsdiener, »das ist ja das Privileg der Ironie! Ich zum Beispiel, als ich noch …« Da sah man schon mit einem väterlichen »Ja, ja« Fritz Pl., unseren Ruhestandsherausgeber, die Hand heben, und Sch. verstummte. Doch Thomas (Nachname unbekannt), unser jüngster Volontär, der kaum älter als 17 und seinem letzten Messdienergewand gerade entwachsen sein dürfte, ein aus Bocholt stammender Pfarrerssohn, rief mit der auf andere Menschen wie Leblosigkeit wirkenden Erregung der Westfalen: Nein! Keinesfalls dürfe man die äußere Erscheinung des Eiligen Vaters wie seinen zurückhaltenden Fußgebrauch oder die in allen Messkelchen der Geistlichkeit marinierte Stimme weltlicher Lächerlichkeit preisgeben. Schon gar nicht seine chiantiroten Schuhe! Sei doch der Papst der Schnellvertreter Gottes!
Nachdem die nächste Weinlache aufgewischt war, verschaffte sich Theater- und Tauchsportkritiker Dr. Merkwirt mit sprühendem Speichel und den Worten Gehör: »Apropos schnell! Wisst ihr, wie höchstgeschwind Hannelore Krafts Dienstwagen ist?« Sofort fingen alle zu raten an: 18? 20? 21? Schlicht und einfach historisch voraus? Das war Marina Weisnicht, freie Autorin für Beutel- und Börsenangelegenheiten. Dr. Merkwirt gab sich überlegen zugeknöpft und lüftete erst, nachdem ihm aus der Redaktionskasse ein Aurum Amarone die Flasche zu 56 Euro spendiert worden war, das Geheimnis: »Jedenfalls«, sagte er, »hat er 500 PS!«
Hier unterbrachen unsere beiden Kunstkritikerinnen abrupt ihr Streitgespräch über Bellini, in das sie sich kurz nach dem Beginn noch jeder Redaktionssitzung verbeißen, und eine von ihnen, Charlott Schober, piepste ängstlich: Schon wieder ein Technikgespräch? Darauf bockiges Schweigen der Männer. Aus dem uns Jens Eitig mit der Frage erlöste, ob es »äquivalenzmäßig« erlaubt sei, sich über Hannelore Kraft lustig zu machen. »Du meinst ihr und Löhrmanns Schleckerfrauenhabitus?«, fragte Merkwirt höhnisch zurück. »Diese Cockerspanielblicke«, prustete Volontär Thomas sofort los. »Dagegen Röttgens körperloses Grinsen!«, jauchzte Merkwirt. »Und Christian Lindner mit seinem Zwiebacktütengesichtchen«, kam es wieder vom Volontär. Was Charlott Schober vollends aus der Schüchternheit riss, so dass sie rief: »Wüsste gern, warum mir bei seinem Anblick immer die Milch einschießt!«
Die ausufernde Heiterkeit dämmte Redaktionsdiener Sch. ein, indem er betont nachlässig hinfragte: »Und die Salafisten? Darf man die auch?« Da verließ als erster Roberto, der unser Gespräch mit einem hier und da hingeworfenen »Cazzo aber auch!« kommentiert hatte, die Runde. Die Harald Sch., scheinbar unbeeindruckt, weiter zu einer Reaktion anzustacheln suchte: »Diese übergewichtigen Berufsgläubigen in ihren albernen Lappen, in die man im Kaiserreich in der Irrenanstalt die Geisteskranken steckte. Mit diesen Laubwäldern, die es in Arabien gar nicht gibt, am Kinn! Und ihr Prophet …« Aber da war auch der Rest der Redaktion aufgestanden und hatte sich leise und vor der Tür ängstlich um sich blickend davongeschlichen.
Das war, wie gesagt, am Himmelfahrtstag. Seitdem ist Harald Sch. verschollen.