Einen flotten Aufreißer mit Lebemann-Appeal gibt dieser Os-min. Blonde ist ein echt steiler Zahn und trippelt keck durchs Großraumbüro. Beide stammen zwar bekanntermaßen aus der »Entführung aus dem Serail«, doch hat sich hier nicht etwa das Regietheater an dem Singspiel vergriffen, um das Mozart-Jahr poppig schrill und frech zu verabschieden. Der aus Luxemburg stammende Komponist Camille Kerger zappt sich mit seinem Librettisten Nico Helminger kurzerhand durch alle 22 Mozart-Opern, um eine eigene Huldigungs-Oper zu montieren. Mit Figuren aus eben der »Entführung«, dem »Figaro« (Antonio, Barbarina) sowie »Così fan tutte« (Despina), der »Zauberflöte« (Monostatos) und »Lucio Silla«. Ihren vertrauten Lebens- und Spielräumen entrissen, sollen alle gemeinsam neu laufen lernen: hinein in eine Welt des Neides, der Börsenspekulationen und hinter die Kulissen der Haute Couture. Für »Fintenzauber«, der an den Bühnen Münster uraufgeführten Oper, recycelte das Autorenpaar die standardisierten Machtkonstellationen jedoch derart nach Schnittmuster F, dass der halbseidene Modebranchen-Krimi in der Regie von Heinz Lukas-Kindermann nicht über dem Niveau einer Daily Soap liegt. Zwischen Aktien-Kursen und Swimmingpool setzt sich Barbarina als Chefin des Alma & Viva-Konzerns gern mal ein Spritzchen, hat Lucio Silla vom Modehaus Leporello den intriganten Charme eines J.R. Ewing. So geht das anspielungsreich über zwei Stunden mit dramaturgisch mäßig gesetzten Kalauern, wenn etwa Silla der Tamino-Evergreen »Dies Bildnis ist bezaubernd schön« beim Anblick der Nachrichtensprecherin Pamina-Zerlina einfällt. Musikalisch wollte es Kerger bis auf manch ein verstecktes Mozart-Zitat immerhin mit ganz und gar eigenen Mitteln schaffen. Leider sind die bereits nach einer Viertelstunde verpulvert; und die dauerglühende, monochrome Klangopulenz behauptet eine Wichtigkeit, die selbst das engagierte Sinfonieorchester Münster (Leitung: Hendrik Vestmann) nicht bestätigen konnte. // GFI
Mozart-Melange
01. Jan. 2007