TEXT: STEFANIE STADEL
Gut 30 Kilometer trennen sie, trotzdem hält die Beziehung nun schon im vierten Jahr. Auch wenn manch einer es den beiden alten Rivalinnen am Rhein nicht zugetraut hätte, geben die Kölner und Düsseldorfer Gale-rien doch inzwischen ein gut eingespieltes Team ab. Zumindest im Spätsommer, zum Start in die neue Saison, wenn man zum gemeinsamen Eröffnungs-Wochenende ruft – DC Open genannt. Wieder gilt, dass über 50 Vernissagen auf einen Schlag mehr her machen als hier und da ein paar. Und auch das Drumherum ist aus den Vorjahren bekannt: Gemeinsame PR, Sammlerparty für geladene Kunden, Shuttle-Service für alle, aber nur am Samstag. Alles wie gehabt. Das Aufgebot ist natürlich ein neues – und spannendes.
Zu den Promis im Programm zählt Alex Katz, der in seinen Bildern seit einem halben Jahrhundert die schönen, selbstbewussten, modischen Mitglieder der amerikanischen Upperclass begleitet. Unlängst ist der US-Maler 85 geworden. Aus diesem Anlass zeigt die Kölner Galerie Klaus Benden einen Überblick mit alten und neuen Zeichnungen und Grafiken. Vor allem sind es die nach bekannter Art radikal reduzierten, absolut oberflächlichen Porträts, in denen Katz den makellosen Seiten der jeweiligen US-amerikanischen Gegenwart ganz nahe rückt.
Weniger glatt das Aufgebot bei Karsten Greve, der dem kürzlich im Alter von 63 Jahren verstorbenen Norbert Prangenberg eine Werkschau mit Bildern und Skulpturen aus 30 Jahren einrichtet. Die ältesten Stücke stammen aus den frühen 80ern, als der gelernte Goldschmied auf der Documenta 7 reüssierte. Greve zeigt große, verspielte Malereien in Wasserfarbe und Pastell. Und jüngere Bilder, denen pastos aufgetragene Ölfarben plastische Qualitäten verleihen. Außerdem Prangenbergs beeindruckende Keramiken: mächtige Gefäße, wie beiläufig geformt. Tönern, roh, rau oder farbig glasiert. Liegend oder stehend und zuweilen mannshoch.
Fern solch klassischer Kategorien bewegt sich der 1940 geborene US-Künstler, Filmer und Musiker Tony Conrad. Seit den 60er Jahren hat er jede Menge abenteuerlicher Musikinstrumente gebastelt. Die Gale-rie Daniel Buchholz präsentiert fast das komplette Orchester dieser »Invented Acoustical Tools«. Darunter ein Tennisschläger-Banjo, die zweitonige Trompete aus PVC-Röhren oder eine Gartenbank, die – an zwei dünnen Metallseilen aufgehängt – wie eine Art E-Gitarre funktioniert.
Jüngere Positionen gibt es im Belgischen Viertel zu entdecken, etwa bei Sebastian Brandl, der die 1972 geborene Bildhauerin Birgit Verwer mit ihrer ersten deutschen Einzelausstellung präsentiert. In Verwers plastischen Collagen kommt allerlei zusammen: altes Gartengerät, entsorgte Elektroteile, Möbel vom Sperrmüll. Ein ausgestopfter Fuchs, der mit Öl-Fässchen und Fernseher auf der Leiter sitzt neben einer großen US-Flagge, die schlaff am Stab hängt.
Auch bei Max Sudhues treten Fundstücke in fremde Zusammenhänge. Für seine neue Werkgruppe hat sich der 35-Jährige mit Pinzette und Schraubenzieher über zwei kaputte Videobeamer hergemacht, um ihre Eingeweide in komplexen Installationen zu neuem Leben zu erwecken. Proben dieser Kunst zeigt die Galerie Christian Lethert. Darunter die Arbeit »Shadows Of The Future«. Indem Sudhues die Beamer-Innereien auf der Oberfläche eines Overheadprojektors arrangiert, schafft er eine farbige Lichtskulptur.
Von hier aus lohnt sich ein Abstecher ins Agnesviertel am nördlichen Rand der Innenstadt zur Anfang der 60-er Jahre von Gottfried Böhm erbauten Beton-Kirche Sankt Gertrud. Dort gastiert die Galerie Hammelehle und Ahrens mit einer Solo-Ausstellung des in Berlin lebenden Franzosen Vincent Tavenne. Bekannt ist der 51-Jährige vor allem für seine zeltartigen Textil-Objekte und Holzbauwerke. Verspielte Arbeiten zwischen Architektur und Skulptur, die in Böhms Kirchenraum sicher wirkungsvoll zur Geltung kommen.
Rein mengenmäßig hat Düsseldorf etwas weniger zu bieten: Den 36 Kölner DC-Eröffnungen stehen dort 16 gegenüber. Eine davon in der Galerie Cosar HTM, wo eine Art Jungstar wartet. Erst 31 Jahre alt, aber bereits ziemlich präsent in der Gegend ist die vielfach ausgezeichnete Erika Hock. In ihren Arbeiten lässt sie sich oft von Architekturen inspirieren, etwa wenn sie das Düsseldorfer Dreischeibenhaus in einen Stoff-Raumteiler mit applizierten Holzleisten transformiert. Seit Hock 2009 ihr Studium an der Düsseldorfer Akademie abschloss, waren ihre Arbeiten bereits im Kunstmuseum Bochum, im Lehmbruck-Museum und im Düsseldorfer Jacobigarten zu sehen. Demnächst ist sie im Kunstmuseum Bonn zu Gast. Beim Zwischenstopp in der Galerie Cosar HTM will Hock Objekte zeigen, die metaphorischen Räumen gleichen.
Eine Künstlerin mit heimischem Hintergrund steht auch bei Bugdahn und Kaimer auf dem DC-Programm. Zwar ist Diana Rattray 1947 in England geboren, doch lebt die Malerin seit ihrem Studium an der Akademie in Düsseldorf. Die Vorbilder für ihre Gemälde findet sie in alten Familienalben. Fotos von Festen, Kinder in Sonntagskleidern, ein Familienausflug. Beim ersten Blick auf Rattrays Bilder scheint das Ganze ziemlich realistisch umgesetzt. Beim zweiten aber fallen die oft übersteigerten Farben ins Auge, das akzentuierte Schattenspiel, die Starre im Gesicht. Ein Mund, dessen Lächeln wie eingefroren wirkt.
Als Kontrastprogramm bietet sich ein Besuch bei Peter Buggenhout in der Galerie Konrad Fischer an. Dem 1963 geborenen Belgier geht es nicht um die Stimmung hinter der Fassade, subtile Anspielungen sind nicht seine Sache. Wenn Buggenhout den Status zeitgenössischer Bildhauerei hinterfragt, tut er dies mit eher brachialen Mitteln. Und entsprechenden Materialien: Staub, Abfall, Tierblut, Haare und Eingeweide werden zur Skulptur akkumuliert. Und die verweist auf nichts anderes als auf sich selbst.
DC Open: Eröffnungs-Wochenende der Galerien in Köln und Düsseldorf; 7. bis 9. September 2012. Die Ausstellungen haben danach unterschiedliche Laufzeiten. www.dc-open.de