Der Künstler macht es kurz: »Ich lebe in Deutschland, ich lese Zeitung, ich gehe auf die Straße – da finde ich meine Themen, jede Menge.« Es ist das Hier und Jetzt, was Olaf Metzel interessiert. Mit Flex, Furor und ohne jede Zurückhaltung rückt der oft rabiate Bildhauer seiner Gegenwart zu Leibe, bezieht politisch Stellung und erregt damit die Gemüter, nicht zu knapp, seit einem Vierteljahrhundert. »Intellektueller Hooligan«, »ab in die Irrenanstalt«, oder noch schlimmer: »Hackt dem Künstler die Hand ab.« Diese und ähnliche Attacken musste der in München lehrende Kunstprofessor sich schon gefallen lassen.
Denn Metzel polarisiert und provoziert. Auch wenn er es darauf angeblich überhaupt nicht abgesehen hat. Vielmehr gehe es ihm bei der Arbeit »um die Skulptur in ihrer unendlichen Breite«. Aus diesem Statement spricht eine Harmlosigkeit, die man dem 1952 in Berlin geborenen Künstler nicht recht abnehmen mag. Noch weniger seinen Werken. Jener freien Anhäufung von Wurfeisen etwa, die er 1990 als Reaktion auf die Hausbesetzungen an der Hamburger Hafenstraße schuf. Oder auch dem zwölf Meter hohen Gebilde aus Absperrgittern und Einkaufswagen: Metzel platzierte es auf dem Kurfürstendamm, just an einer Stelle, wo es immer wieder zu Gefechten zwischen Polizisten und Demonstranten gekommen war. Der Titel des Werkes, »13.04.1981«, im Volksmund »Randale-Denkmal« genannt, erinnert an eine jener gewalttätigen Kundgebungen und erregte in der Berliner Öffentlichkeit heftigen Protest.
Vor wütenden Reaktionen aber hat Metzel offenbar keine Angst. Zuletzt in Nürnberg trieb er es auf die Spitze, als er sich den »Schönen Brunnen « auf dem Hauptmarkt vornahm. Im Rahmen eines Projekts zur Fußball-WM umbaute er 2006 das gotische Wahrzeichen der Stadt mit einer Konstruktion aus rund 1000 ausgemusterten Stadionsitzen, die sich, spiralförmig gewunden wie eine molekulare Kette, 17 Meter in die Höhe drehen. Weil die Nürnberger heftig aufbegehrten gegen das Kunstwerk, musste die Polizei beim Aufbau Wache stehen. Auch die Presse machte damals Front gegen Metzel, und es scheint etwas wie Stolz mitzuschwingen, wenn der Künstler heute von Stimmungsmache gegen ihn auf den Titelseiten der »Bild«-Zeitung berichtet.
Hinter den Türen im Wuppertaler von der Heydt-Museums haben die Arbeiten des streitbaren Berliners sicher weniger Anfeindungen auszustehen. Dort ist Metzel jetzt mit einer Soloschau zu Gast. Selbstsicher führt er durch die Räume, mit dunklem Anzug, kahlem Kopf und klaren Worten. Nur gelegentlich zeigt sich ein Lächeln auf seinen Lippen. Der Weg durch rund 25 ausgestellte Schaffensjahre führt vom kantigen Mann aus rotem Beton, der kopflos vorwärts prescht, über eine Batterie farbverschmierter Pissoirs – »ein absolut klassisches Thema« – bis hin zum prominenten Höhepunkt: jener schönen, jungen Frau, die nichts als ein Kopftuch trägt. Gelassen und selbstverständlich steht sie da auf ihrem Sockel, ganz in Gold. Ein wenig abwartend vielleicht, ohne Geste, die Arme hängen neben dem Körper herab, die Beine stehen nebeneinander. »Turkish Delight«, so lautet der vielsagende Titel dieses oft zitierten, heiß diskutierten weiblichen Akts, »Türkischer Honig«. Gemeint ist jene weiche, klebrige Süßigkeit aus Stärke und Zucker, blassrosa und durchsichtig, als Geschenk oft in Spitzentücher verpackt. Der Legende nach geht die Kreation auf die Initiative eines türkischen Sultans aus dem 18. Jahrhunderts zurück. Der hatte die besten Zuckerbäcker des Landes aufgerufen, eine einmalige Leckerei zu erfinden, die unter den unzufriedenen Insassinnen seines Harems wieder Ruhe stiften sollte.
In Wuppertal erinnert Metzel angesichts der schönen Nackten mit Kopftuch an berühmte Vorgänger aus der Kunstgeschichte: An Ingres, an Delacroix, an die Orientphantasien vergangener Zeiten, die ihn inspirierten. Viel näher liegen seinen Zuhörern aber wohl die aktuellen Bezüge – Metzel bewegte, nach eigener Auskunft, die Rolle der Frau im Islam. Man denkt an den Kopftuchstreit und erkennt in der Bronzefrau bald eine schöne Muslima, deren Körper ja für gewöhnlich jedem fremden männlichen Blick verborgen bleibt. Erneut eine Provokation? Metzel winkt ab: »Wenn überhaupt, dann sind es wieder nur Deutsche, die sich in die Hosen machen.« Nicht zum ersten Mal geht Metzel in seiner Arbeit mit den Themen Türkei und Islam um. Bereits seit seinen künstlerischen Anfängen verfolgt er die Materie – das Interesse ist sozusagen biografisch begründet: Metzel ist groß geworden in Berlin-Kreuzberg. Seine Jugend fiel in die 50er und 60er Jahre, als sich dort die ersten »Gastarbeiter« niederließen. Er erinnert sich an die Imbissbuden, die »etwas Exotisches« hatten. Aber auch an abfällige Äußerungen der Einheimischen.
Jener Graben zwischen den Kulturen brachte ihn 1982 auch zu der frühen Aktion »Türkenwohnung«. Den Anstoß gaben Hakenkreuze, wie sie »auf jeder öffentlichen Toilette zur gewöhnlichen Ornamentik zählen«. Dazu eine Aussage des damaligen Innensenators Lummer. »Er meinte sinngemäß, dass man Türken zehn Meter gegen den Wind riechen könne.« Metzels »Türkenwohnung« war ein kleines Hinterhof-Appartement im Berliner Stadtteil Wedding. Der türkischen Familie, die dort einst wohnte, war gekündigt worden. Ihr Mobiliar aber blieb zurück. Metzler hatte die Behausung eigens angemietet, um sich mit der Flex an Möbeln und Deko auszutoben und anschließend ein großes Hakenkreuz in die Zimmerwand zu kratzen. In Wuppertal belegen Fotos und Dokumente die Tat, dazu ein wildes Video – Metzel hatte eine Kamera auf die Flex montiert. Bis heute nimmt man ihm die ungestüme Geste des künstlerischen Wüterichs gern ab. Inzwischen ist das Ende des Wuppertaler Parcours erreicht. In einem kleinen Kabinett sind zeichnerische Kopftuchstudien aus dem vergangenen Jahr vereint, die, verglichen mit Metzels künstlerischen Kraftakten früherer Zeit, ziemlich zahm wirken. Die schöne Zurückhaltung in Bleistift und Pastellkreide könnte täuschen. Es ist nicht etwa so, dass dem Mittfünfziger die Luft ausgegangen wäre. Die Wut bleibt. Zum Finale des Rundgangs entlädt sie sich verbal: Umgeben von den gezeichneten Kopftüchern wettert der Kunstprofessor ohne Blatt vor dem Mund über »unerträgliche« Politiker, über verantwortungslose Architekten, die rücksichtslos die Innenstädte verschandeln, und über die ständige Ängstlichkeit der Deutschen – »das macht mich fertig«.
Besonders zornig scheint er auf die Medien, »die vierte Macht in unserem Staat«. In Nürnberg hat der Künstler ihren Einfluss selbst eindrucksvoll erfahren. Alle Zeitungen gehörten dort einem einzigen Verleger, sagt Metzel. Und dem habe die Bestuhlung des Schönen Brunnens missfallen. Deshalb sei in der lokalen Presse zunächst nur »Mist und Dreck« über diese Arbeit geschrieben und damit die aggressive Stimmung noch angeheizt worden. Unter ganz jungen Kollegen findet Olaf Metzels Bildhauer-Beispiel indes viele Bewunderer. Als Professor an der Akademie der Bildenden Künste in München hat er in seiner Klasse inzwischen eine ganze Reihe erfolgreicher Newcomer ausgebildet. Fast könnte man von einer Metzel-Schule sprechen. //
»Olaf Metzel – Noproblem«; von der Heydt-Museum, Wuppertal; bis 25. November 2007; Tel.: 0202/563-6231. www.von-der-heydt-museum.de